Sonntag, 31. Mai 2015

Freundinnen fürs Leben



In unserem engsten Freundeskreis sind wir die einzigen Eltern. Die meisten meiner Freundinnen sind entweder Singles, oder sie befinden sich in (noch) kinderlosen Beziehungen. Das finde ich auch ok so – habe ja neulich mal darüber geschrieben, dass es mit anderen Mamas nicht immer ganz einfach ist…
Meine Freundinnen finden Noemi und Samuel super, sie haben mich durch die Schwangerschaften begleitet und auch durch die Höhen und Tiefen der ersten Wochen mit den „Frischlingen“. Sie bieten sich als Babysitterinnen an und ertragen es, dass meine Aufmerksamkeit seit nun fast zwei Jahren nicht mehr ungeteilt auf meinem jeweiligen Gegenüber ruht.

Und dennoch:  Meine Freundschaften haben sich verändert. Meine Freundinnen und ich, wir sehen uns seltener und meistens nicht mehr allein. Zeit und Ort der Treffen bestimmen meine Kinder – sehr oft kommen meine Freundinnen zu mir, wir verbringen die gemeinsame Zeit auf dem Spielplatz, und abends mal weggehen klappt mit einem Stillkind einfach nicht so gut. Gesprächsthema Nummer 1 ist bei mir natürlich das Mama-Sein: Wie geht es den Kindern, bekomme ich genug Schlaf (nein!) und was war die letzte von Noemis Eskapaden… Unsere Lebensfelder driften auseinander, ganz langsam, besonders bei den Single-Freundinnen. Ebenso sehr wie ich merke, dass ich meine Freundinnen und diese Freundschaften brauche, spüre ich auch, dass sie zerbrechlich sind, und teilweise gefährdet.

Meine Eltern pflegen, soweit ich informiert bin, keine nennenswerten Freundschaften. Auch von anderen meiner Generation weiß ich, dass ihre Eltern kaum Freunde haben. Wir haben uns manchmal darüber gewundert und wohl insgeheim gedacht, dass uns sowas nicht passieren kann. Langsam aber dämmert mir, wie es dazu gekommen ist: Die Aufgaben in Familie und Beruf fressen alle Kapazitäten auf. In christlichen Kreisen engagiert man sich zusätzlich noch in der Gemeinde, vielleicht macht man ein bisschen Sport – und das war’s. Der Tag hat nur 24 Stunden, und die sind randvoll mit Job, Partnerschaft und Chauffeurdiensten für die Kinder. Da bleibt nur wenig Zeit für Freunde. Wie schade!

Weil ich nun die Fragilität meiner Freundschaften wahrnehme und sehe, dass gute Freunde (auch in den kommenden Lebensphasen) keine Selbstverständlichkeit darstellen, mache ich mir zur Zeit viele Gedanken darüber, wie Freundschaften gelingen können, was ich dazu beitragen kann, dass meine Freundschaften nicht verwelken und eingehen. Und ganz konkret: Wie gestalte ich Freundschaften in dieser Kleinkindphase? Wie gehe ich mit meinen Freundinnen um, die im Moment ein völlig anderes Leben führen als ich?
Folgende Punkte erscheinen mir hierbei wichtig – Ergänzungen und Gedanken zu diesem Thema sind mir sehr willkommen!

Achtung Mommyjacking!
Auch wenn ihr den Begriff „Mommyjacking“ bis dato noch nicht gehört haben solltet, habt ihr vermutlich schon eigene Erfahrungen mit dem Phänomen gemacht: (Meist) frische Eltern kapern jedes erdenkliche Gesprächsthema, um es auf ihr Baby oder das Elternsein zu lenken. Beklagt sich etwa jemand über Halsschmerzen, so wird er sofort darauf hingewiesen, dass diese im Vergleich zu den erlittenen Geburtswehen ja gar nichts seien. Erzählt man unbedarft von einem Restaurantbesuch, geben die Neu-Eltern eine Anekdote über Juniors ersten Brei zum Besten, und so weiter….
Und: Ja, ich bekenne mich schuldig! Es ist aber manchmal auch schwierig, wenn man so wenig anderes erlebt als immer „nur“ das eigene Kind… Und wir sind ja auch so unendlich stolz und verzückt und „ist sie nicht süß?“! Trotzdem – Mommyjacking ist wirklich eine Unart, die ich ablegen möchte. Dafür nehme ich die Herausforderung an, mich wirklich auf mein Gegenüber und dessen Thema einzulassen. (Und ihr macht mich bitte darauf aufmerksam, sobald mein Gesprächsverhalten Anzeichen von Mommyjacking aufweist! Merci.)


Deine Probleme – meine Probleme
Ich habe bei mir selbst die Tendenz festgestellt, Probleme und Herausforderungen, mit denen sich meine kinderlosen Freundinnen konfrontiert sehen, im Vergleich zu meinen „Mama-Problemen“ zu relativieren und herunterzuspielen. Wenn mir etwa eine Freundin von ihren vielen Überstunden berichtet, ertappe ich mich selbst bei dem Gedanken: „Naja, du hast aber trotzdem irgendwann Feierabend – im Gegensatz zu mir…“ Oder wenn eine andere sich bei mir beklagt, es sei am Abend zuvor so spät geworden und sie unendlich müde, zucke ich innerlich nur mit der Schulter („Du kannst den Schlaf in den nächsten Tagen und Nächten locker nachholen, während mein Schlafdefizit nur immer größer und größer wird.“). Es fällt mir tatsächlich schwer, da Mitleid zu empfinden – obwohl ich doch eigentlich weiß, wie sehr einem Müdigkeit zu schaffen machen kann.
Mir ist klargeworden, dass das lieblos ist. Denn: Nicht nur ich als Mutter zweier Kleinkinder habe mit Müdigkeit (oder anderen Schwierigkeiten) zu kämpfen. Und aus welchem Grund man müde ist, macht nicht wirklich einen Unterschied… Meine Probleme sind nicht schwerwiegender oder wichtiger als die einer Single-Frau. Meine Freundinnen haben meine Anteilnahme verdient, und dass ich ihre Erfahrungen und Sorgen ernstnehme – genauso wie ich mir Verständnis und gute Worte wünsche, wenn ich von meinen Problemen berichte.

Die Babysitter-Falle
Eine gute Freundin (in deren Bekanntenkreis es von Mamas und deren Babys nur so wimmelt) sagte neulich zu mir: „Ich möchte vor allem Freundin sein, und nicht hauptsächlich als Babysitterin angesehen werden.“ Ich glaube, sie formulierte diesen Satz nicht einmal als Kritik an mir – und trotzdem musste ich schlucken, und mich selbst hinterfragen. Denn das Schöne daran, so viele kinderlose Freundinnen zu haben, ist ja auch, dass ich auf so viele (willige und fähige) Babysitterinnen zurückgreifen kann. Daraus habe ich auch noch nie einen Hehl gemacht.
Natürlich darf ich meine Freundinnen fragen, ob sie mal auf meine Kinder aufpassen. Ich weiß auch, dass sie alle das gern tun, dass sie Noemi und Samuel wirklich von Herzen lieben. Und dafür bin ich total dankbar. Aber meine Freundinnen sind zuerst und vor allem anderen meine Freundinnen. Keine Dienstleisterinnen.
Grundsätzlich empfiehlt es sich im Leben, Privates und „Geschäftliches“ zu trennen, und dazu gehört wohl in gewisser Weise auch die Trennung zwischen Freundschaft und Kinderhütedienst… Somit werden wir uns nach echten und ausschließlichen Babysittern umsehen, die wir für ihre Dienste dann natürlich auch bezahlen. (Was nicht bedeutet, dass meine Freundinnen nicht auch mal auf Noemi und Samuel aufpassen dürften. You are welcome!)

Zeit nur für dich und mich!
Ein Gespräch mit mir zu führen, während meine Kinder um mich herumwuseln, muss eine harte Probe in Sachen Geduld sein. Vor allem, wenn es dabei um Herzensdinge geht, wenn da ein Schmerz ist, ein Bedürfnis nach Trost, ein nagender Zweifel. Meine Aufmerksamkeit ist nämlich meistens geteilt, und so sehr ich mich auch bemühe, ganz bei meinem Gegenüber zu sein, gelingt es mir doch nie vollständig. (Das wäre Noemi gegenüber vermutlich auch fahrlässig…)
Deshalb sind Treffen zu zweit, nur meine Freundin und ich, ohne Kinder, so wichtig. Dann atmet die Freundschaft auf. Sie streckt ihre Fühler aus und nimmt plötzlich so viele Dinge wahr. Sie ist wieder ganz Ohr, und hört sich auch mal selber zu… Für mich sind diese seltenen Momente sehr kostbar, und ich bin Falko unendlich dankbar, dass er sie mir immer wieder ermöglicht.

Freundinnen verdienen Priorität
Der allerschlimmste Umzugsstress ist inzwischen vorbei und Falko verbringt endlich auch wieder die Abende bei uns zu Hause. Da möchte ich natürlich am allerliebsten Zeit mit meinem Mann haben – was ja auch total legitim und wichtig ist. Trotzdem dürfen meine Freundschaften jetzt nicht hinten runter fallen. Vielmehr möchte ich dran bleiben, in jeder Lebenslage. Denn meine Freundinnen verdienen Priorität. Je größer meine Kinder werden, und je länger Samuel auch mal ohne mich sein kann, desto einfacher wird es auch, Freunden diese Priorität einzuräumen. Bei Falko und mir war der Sonntagabend für lange Zeit fest als „Ehe-Abend“ verplant. Warum nicht auch feste „Freundinnen-Abende“ einführen?

Keine Lückenbüßer!
An dieser Stelle wird es schmerzhaft für mich. Mir wurde vor nicht allzu langer Zeit vorgeworfen, meine Freundinnen gewissermaßen als „Lückenbüßer“ zu missbrauchen – mich nur zu melden, wenn ich Hilfe mit den Kindern bräuchte oder Falko gerade nicht zur Stelle sei. Mich hat dieser Vorwurf ziemlich getroffen; vermutlich weil er nicht völlig aus der Luft gegriffen ist. Es stimmt: Es ist schwierig für mich, den ganzen Tag allein mit den Kindern zu sein. Da fällt mir leicht die Decke auf den Kopf. Und dann suche ich Kontakt und initiiere Treffen.
Das bedeutet nicht, dass meine Freundinnen mir nichts bedeuten oder dass ich sie nur benutzen möchte, um nicht allein sein zu müssen. Ich möchte einfach Zeit mit ihnen verbringen, und möglichst viel, das ist alles. Wenn das anders rübergekommen ist, tut mir das sehr leid. Auch hier gelobe ich Besserung.

Ich möchte auch etwas geben – und das kann ich
Sehr oft habe ich das Gefühl, in meinen Beziehungen gerade die „Bedürftige“ zu sein, diejenige, die auf der „Nehmen-Seite“ steht. Meistens finden Treffen bei mir statt, ich nehme Babysitterdienste in Anspruch und so weiter. Für meine Kinder bin ich rund um die Uhr da – für alle anderen scheinen mir Zeit und Energie völlig abzugehen. Das ist ein blödes Gefühl.
Gerade merke ich aber, wie langsam wieder Kapazitäten frei werden. Dass ich hin und wieder Gedanken habe, die nicht mit dem Umzug, der Wohnung oder den Kindern zu tun haben. Verrückt! Und egal, wie eingeschränkt meine Möglichkeiten gerade sein mögen – ich habe trotzdem was zu geben: Zum einen habe ich Zeit. Wirklich sehr viel Zeit! Es ist praktisch rund um die Uhr möglich, sich mit mir zu treffen und Zeit mit mir zu verbringen. Zweitens habe ich zwei quirlige Kinder, die einen von Problemen und Sorgen ablenken, zum Lachen bringen und immer wieder neue Perspektiven aufzeigen können. Der Umgang mit Kindern kann sehr, sehr wohltuend sein! Drittens verfügen wir neuerdings über viel Platz und wirklich schöne Räumlichkeiten – Gäste sind uns sehr willkommen!

Ich brauche auch Mama-Freundinnen
In gewisser Weise machen andere Mamas mir Angst. Teilweise finde ich sie auch anstrengend und nervig. Möglicherweise liegt das daran, dass ich so wenig Kontakt zu anderen Müttern habe. Leider – kann ich inzwischen sagen. In meinem Freundeskreis gibt es eine einzige Mama, und es tut mir immer wieder so gut, mit ihr zu telefonieren oder zu schreiben. Sie finde ich überhaupt nicht einschüchternd oder nervtötend, im Gegenteil: Ich lerne so viel und werde daran erinnert, dass ich nicht allein bin. Noemi ist offenbar doch nicht das einzige Kind auf dem Planeten, das Schwierigkeiten hat, auf das zu hören, was ihre Mama ihr sagt… sehr beruhigend. Umso bedauerlicher, dass wir uns nur so selten sehen können, Sarah! Du bist eine wunderbare Mama und ein großes Vorbild für mich!
Nun ja, immerhin bin ich ja mittlerweile eine fleißige Spielplatzgängerin, und da wird sich schon der eine oder andere Kontakt ergeben. Und wenn Noemi in die Kita kommt, lerne ich dort bestimmt auch andere Mütter kennen, mit denen ich mich verstehe. Vielleicht finde ich auch eine nette Spielgruppe hier in der Nähe, die ich dann mit Sammy frequentieren kann ;)


Oh Mann, das war ein langer Eintrag… vielen Dank, wenn ihr bis zum Schluss durchgehalten habt! Wenn ihr mögt, teilt doch hier unten eure Gedanken zu dem Thema – bin sehr daran interessiert!
Aber jetzt wirklich: Gute Nacht  *^^

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