Wenn ich etwas ganz fest glaube, dann daran, dass Gott uns
alle Dinge zum Besten dienen lassen kann und wird. Ich glaube daran, auch wenn mir bei
bestimmten Situationen absolut nicht in den Kopf will, wie Gott daraus noch
etwas Gutes entstehen lassen will. Unser dritter (und bisher unerfüllter)
Kinderwunsch gehört nicht dazu. Soll heißen: Ich habe eine feste Gewissheit,
dass diese Phase für mich und uns als Familie Gutes birgt, dass Gott einen
guten Plan für uns hat. Wie ich darauf komme, kann ich nicht erklären, und oft
genug hadere ich noch damit, dass es gerade nicht so läuft, wie ich möchte –
aber tief in meinem Herzen ist es ok. It
is well with my soul.
Gott verfolgt mit meinem Leben oft wohl etwas andere Ziele
als ich. Eines dieser Ziele scheint zu sein, mir Dinge beizubringen, über das
Leben, über Ihn, über mich. Gerade schwierige, harte Zeiten sind Lernzeiten,
was bedeutet, dass ich zur Zeit unheimlich viel lerne – und dafür bin ich
dankbar.
Wenn ich im Folgenden darüber schreibe, was ich lerne und
wie Gott an mir arbeitet, dann ist das als ganz subjektiver, persönlicher
Bericht zu verstehen. Ich weiß, dass manche von euch, die den Text lesen,
ebenfalls betroffen sind und ihre Situation unter Umständen ganz anders
erleben. Hiermit möchte ich euch also nicht sagen, wie ihr ungewollte Kinderlosigkeit/
Kinderwunsch sehen oder damit umgehen sollt. Vielmehr teile ich mit euch ein
Stück von Gottes Weg mit mir, und freue mich natürlich, wenn ihr einen guten
Gedanken daraus für euch mitnehmen könnt.
Nichts ist
selbstverständlich!
Wenn ich auf mein bisheriges Leben zurückschaue, wird mir
bewusst, wie viel mir „in den Schoß gefallen“ ist: Schule und Studium fielen
mir recht leicht und ich konnte mit guten Ergebnissen glänzen, mein Mann und
ich lernten uns in jungem Alter kennen, Jobangebote stellten sich ein, wir
bekamen zwei Kinder, als wir dazu „bereit“ waren, wir sind alle gesund und
fröhlich – meistens, jedenfalls. Wenn alles so gut läuft im Leben, tendiert
man tendiere ich leicht dazu, das als selbstverständlich zu betrachten.
Menschen, die z.B. im akademischen Bereich erfolgreich sind, können oft nicht
verstehen, warum andere sich mit dem Erreichen der mittleren Reife schwer tun.
Frauen, die schnell und spontan schwanger werden, können teilweise nicht
nachvollziehen, weshalb es bei anderen nicht klappt. Bis dann Schwierigkeiten
auftauchen, bis wir mit unserem eigenen Können und Vermögen nicht mehr
weiterkommen. Dann spüren wir, wie wenig wir selbst in der Hand haben. Wie
unendlich beschenkt wir sind!
Für mich ist dies eine wertvolle, aber auch harte Lektion:
Alles, was ich bin und habe, ist nicht
selbstverständlich. Und ich habe es mir auch nicht selbst zu verdanken. Das,
was mein Leben im Kern ausmacht, das, was wirklich zählt, ist mir geschenkt
worden. Alles!
Ich habe nicht unter Kontrolle, was passieren wird –
vielmehr bin ich eingeladen, meine Hände aufzuhalten und zu vertrauen. Dem, der
alles unter Kontrolle hat. Dem, der der Geber aller guten Gaben ist.
Dankbarkeit
Aus diesem Bewusstsein entspringt schließlich unendliche
Dankbarkeit. Denn ich bin reich beschenkt. Ich muss nicht lange überlegen, um
Seiten füllen zu können mit Dingen, für die ich Gott dankbar bin. Und das tue
ich auch: Immer wieder nehme ich mein Dankbarkeitstagebuch zur Hand und
schreibe Segen um Segen auf die weißen Seiten. Besonders an Tagen, an denen es
mir nicht gut geht, ist dies eine wertvolle Übung.
Ich möchte mich auf das konzentrieren, was ich habe, anstatt mein Herz an Sehnsüchte
und Träume zu hängen, die vielleicht niemals erfüllt werden. Loslassen tut weh,
es befreit uns aber auch. Es macht uns frei und empfänglich für das Gute, das
wir tagtäglich erfahren.
Ich werde eine
„bessere“ Mama
Ganz besonders dankbar bin ich für meine beiden Kinder.
Diese Herzenshaltung macht einen großen Unterschied im
Umgang mit meinen beiden Wilden, die mir doch gern mal den letzten Nerv
rauben... Ich habe festgestellt, dass Dankbarkeit mich dazu befähigt, geduldiger,
gütiger, freundlicher und verständnisvoller mit meinen Kindern umzugehen. Ich
genieße die gemeinsamen Stunden mit ihnen mehr, bin hingebungsvoller,
leidenschaftlicher, liebevoller – jetzt, wo ich (endlich!) verstehe, was für
ein Wunder das ist, was für ein Geschenk!
In den vergangenen Jahren habe ich das Mutter-Sein viel zu
oft als Last, als Einschränkung empfunden. Es war (und ist) die größte
Herausforderung meines Lebens! So sehr ich meine Kinder liebe, ich habe sie
wohl oft als „selbstverständlich“ hingenommen, habe über sie geklagt, mir Ruhe
von ihnen gewünscht.
Und ich dachte, genauso selbstverständlich, dass sich einmal
noch ein drittes Kind zu unserer Familie gesellen würde. Noch eine Chance, um ein paar Versäumnisse nachzuholen, um Fehler zu
korrigieren. (Schlimm, oder?)
Diese „Chance“ werde ich vielleicht nicht mehr bekommen.
Aber ich brauche sie auch überhaupt
nicht, um meinen beiden Kindern eine bessere Mama sein zu können. Diese beiden
kleinen Menschen sind hier, sie brauchen
mich jetzt und ich darf ihre Mama
sein. Diese Chance ergreife ich jeden Tag neu, und ich bin sehr dankbar dafür,
dass Gott mir die Augen dafür geöffnet hat.
Wir sind viele!
Mein vorletzter Blog-Post löste so viele Leser-Reaktionen
aus wie keiner zuvor: Ich bekam E-Mails, in denen Leserinnen ihre Geschichten
mit mir teilten – ihre Wunder ebenso wie ihren Schmerz. Und viele dankten mir
dafür, dieses sehr persönliche, tabuisierte Thema angesprochen zu haben.
Ungewollte Kinderlosigkeit ist tatsächlich ein Tabu, und es
ist mir demzufolge nicht leicht gefallen, darüber zu schreiben. Bevor ich zum
ersten Mal einen Text darüber veröffentlichte, überlegte ich mir gut, welche
Gründe dagegen sprechen könnten – und mir wurde klar, dass Scham mein einziger Hinderungsgrund war. Ja, ich schämte mich! Für
meinen Körper und seine „Unfähigkeit“. Etwas, wofür ich nichts kann und wofür sich keine Frau (und auch kein Mann!)
schämen muss. Deshalb habe ich meinen Text für die Öffentlichkeit frei
gegeben.
Die Tatsache, dass kaum jemand über unerfüllten Kinderwunsch
spricht, täuscht darüber hinweg, wie viele Paare davon betroffen sind. Öffnet
man sich dagegen, und teilt diese Erfahrung mit anderen, ist man überrascht
über die Reaktionen: Man hört von Fehlgeburten, von erfolglosen
Kinderwunschbehandlungen, von gescheiterten Beziehungen. Und auch wenn diese
Geschichten nicht „schön“ sind und viele davon kein Happy End haben, ist es
doch wertvoll, sie zu hören! Weil sie helfen, das Tabu zu entmachten. Weil sie
Gemeinschaft stiften und Trost schenken – weil sie uns zeigen, dass wir nicht
alleine sind.
Es ist nicht immer
so, wie es scheint!
Erst vor ein paar Tagen erzählte eine Künstlerin, die ich
total bewundere und schätze, in einer Instagram-Story, dass sie in den
vergangenen Jahren drei Fehlgeburten erlitten hat. Sie wollte davon erzählen
und ihren Schmerz mit den Zuschauern teilen, weil sie wirklich authentisch sein
wollte, ein Mensch aus Fleisch und Blut, jemand, der mehr ist als schöne,
perfekte, bunte Bilder auf Instagram. Ich fand ihren Mut bewundernswert – und
war gleichzeitig unangenehm berührt, fühlte mich ihr gegenüber beinahe
schuldig, weil ich mich manchmal gefragt hatte, warum sie eigentlich „nur“ ein
Kind hat. Von wegen: Wäre es nicht mal
Zeit für ein zweites? Und nun erfuhr ich von ihrem Kinderwunsch, von ihren
Fehlgeburten! Beschämt schrieb ich mir hinter die Ohren (und auf mein Herz, zum
wiederholten Male): Hör auf, über andere zu urteilen!
Was weiß denn ich, warum manche Paare kinderlos bleiben,
warum es bei manchen bei einem Kind bleibt, warum zwischen manchen Geschwistern
viele Jahre liegen? Ich weiß NICHTS. Und selbst, wenn ich es wüsste – es geht
mich nichts an. Wir treffen alle unsere eigenen Entscheidungen. Und oft genug
haben wir einfach keine Wahl.
Ich bin in einer Familie groß geworden, in der viel ge- und
verurteilt wird, und es fällt mir schwer, diese Gewohnheit abzulegen. Die Urteile
ploppen in meinem Kopf auf, ohne dass ich großartig nachdenke. Mittlerweile
gelingt es mir aber immer besser, diese Urteile in ihre Schranken zu weisen,
sie zu relativieren und sogar umzudrehen. Dachte ich jedenfalls…
Mein unerfüllter Kinderwunsch macht mich sensibler, milder.
Sätze wie: „Na, wann ist es bei euch endlich mal soweit?“ haben mich immer
schon gestört, sind inzwischen aber vollkommen untolerierbar für mich geworden
(Bitte nicht sagen! Niemals!). Es ist
oft nicht so, wie es scheint. Hinter einem einzelnen Faktum steckt immer auch
eine Geschichte, und diese Geschichte gehört zu einem wertvollen, verletzlichen
Menschen, der daran vielleicht zu knapsen hat. Daran möchte ich denken.
Das Leben geht
weiter, und ich will es nicht verpassen.
Zehn Monate sind inzwischen vergangen seit diesem einen Gespräch
zwischen meinem Liebsten und mir. Es war ein wunderschöner Spätsommerabend und
wir verbrachten ihn als Familie im Britzer Garten. Noemi und Samuel spielten
vergnügt und wir entschieden uns, ein drittes Kind zu bekommen. Ich erinnere mich
noch genau daran. Wir haben uns das so einfach vorgestellt.
Wir hätten beide niemals gedacht, dass es so lange dauern
würde, und wohl noch viel länger…
In diesen zehn Monaten seit unserem Entschluss ist viel
passiert. Wir haben Thanksgiving, Weihnachten und Ostern gefeiert. Wir sind
verreist, haben gearbeitet, gespielt, gelebt. Die Kinder sind größer, schwerer
und klüger geworden. Es waren zehn volle, gute Monate. Trotzdem.
Ich möchte diese Monate nicht durch die Kinderwunsch-Brille
sehen, sie nicht daran messen oder sie als Misserfolg werten, weil es in dieser
Zeit „nicht geklappt“ hat. Denn auch diese Monate waren mein Leben, waren unser Leben als Familie.
Bis zu meiner OP sind es noch über zwei Monate. Auch diese
beiden Monate möchte ich nicht nur als wohl-oder-über-zu-überbrückende-Wochen
ansehen, als Wartezeit, als leeren Zwischenraum. Nein, auch diese zwei Monate
sind Lebenszeit! Gute, wertvolle, hoffnungsvolle Zeit. Minuten, Stunden, Tage,
Wochen, die mir geschenkt sind. Nicht, um mich zu sorgen, mich in Wenns zu
hüllen, mich weg zu wünschen – sondern um zu lachen und zu teilen und zu glauben und zu lernen und zu
spielen und zu lieben.
Im Glauben weitergehen, Schritt für Schritt
Wir wissen nicht, was kommt. Ja, eine OP - aber deren Ausgang ist vollkommen ungewiss. Ebenso wie die Frage, ob wir irgendwann einmal zu fünft sein werden. Ich habe Jesus schon ein paar Mal gefragt, aber er möchte darauf nicht antworten... ;) Er möchte, dass ich im Vertrauen wachse, einen Schritt nach dem anderen wage, mit ihm zusammen. Egal, was kommt.
Und das mache ich. Etwas anderes bleibt mir sowieso nicht übrig. Und etwas anderes will ich auch nicht. Wo bliebe denn sonst die Spannung?
Ganz liebe Grüße an euch alle! Danke für euer Lesen und Anteilnehmen, für eure Nachrichten und Gebete. Mir bedeutet das alles unheimlich viel. Danke!
eure Reh