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Sonntag, 16. Dezember 2018

16. Türchen


16. Türchen: Unser Weihnachten in Kiserian, Kenia


Kiserian Kanisa - unsere Kirche


Mein erstes Weihnachten weit weg von Zuhause, ohne meine Eltern und Geschwister, verbrachte ich in Kiserian am Baringosee. Da war ich 19 und seit etwa vier Monaten in Kenia.
Dass dieses Weihnachten sehr anders aussehen, schmecken, riechen, verlaufen, sich anfühlen würde als jedes andere zuvor, war mir natürlich vorher bewusst gewesen. Ich stellte mich auch auf Heimweh ein, auf eine diffuse Sehnsucht nach Kälte, Tannengrün und Dominosteinen - aber wie anders es sein würde, das erlebte ich erst, als es soweit war.

In Deutschland beginnt die Vorweihnachtszeit schon sehr früh - wenn man die Schoko-Nikoläuse, die es ab Anfang September in den ersten Geschäften zu kaufen gibt, mal ignoriert, so ist doch spätestens Ende November alles auf den Advent und auf Weihnachten eingestellt. Lichterketten, bunte Kugeln, Tannenbäume überall! Jingle bells klingt aus allen Lautsprechern, an jeder Ecke kann man Adventskalender, Glühwein und grüne Kränze kaufen und die ersten Wunschzettel sind geschrieben.
Natürlich, uns Christen geht es an Weihnachten nur um Jesus, aber der ganze andere Kram gehört schon auch zum richtigen Feeling dazu.

Was brauche ich, um in Weihnachtsstimmung zu kommen?

Weihnachtslieder.
Lebkuchen, Marzipankartoffeln und Dominosteine.
Dunkelheit und Kerzenlicht.
Tannenzweige und rote Kugeln.
Geschnitzte Krippenfiguren.
Einen Adventskalender.
Und, Bullerbü sei Dank: Schnee.
(Bei uns gibt es praktisch nie Schnee zu Weihnachten und doch löst bei mir kaum etwas dieses Gefühl von Weihnachten so automatisch aus wie Schnee! Verrückt eigentlich)

Unsere Adventszeit in Kenia konnte mir in der Hinsicht nicht viel bieten.

Ja, wir buken Plätzchen (und fühlten uns ganz falsch dabei, sie zu essen. Lebkuchen im Hochsommer? Das passt doch einfach nicht.)
Wir hörten Weihnachtslieder - aber auch das funktionierte nicht so wirklich.
Wir bastelten und schenkten uns gegenseitig einen Adventskalender.
Die einzigen Adventskalender weit und breit - standen bzw. hingen in unserem Wohnzimmer!
Und dann die Hitze!
Die Kerzen schmolzen noch bevor wir sie überhaupt angezündet hatten.

Kein Haus, kein Geschäft, keine Kakteenhecke war mit roten Kugeln geschmückt.
Es gab keine Lichterketten, keine Schneemänner, keine roten Zipfelmützen.
Endlich mal ein Weihnachten ohne Weihnachtsmann - auch wieder nicht recht...

In der Kirche gingen die Gottesdienste auch im Advent weiter wie normal - es gab keinen Adventskranz, an dem jeden Sonntag eine Kerze mehr angezündet werden durfte, keine Weihnachtslieder, keine weihnachtliche Predigt.

Von Weihnachtsstimmung keine Spur.

Mir wurde bewusst, dass das ganze Tamtam um den Advent doch etwas ziemlich Deutsches ist.

Ich nahm mir vor, die Abwesenheit aller adventlichen Äußerlichkeiten als einmalige Chance zu begreifen,  mich dieses eine Mal wirklich ausschließlich auf die Ankunft Jesu zu konzentrieren. Die wirklich echte Weihnachtsfreude zu erleben! Das pure Weihnachten, ganz ohne Konsum und "ungeistliche" Ablenkungen wie Stollen und Wunschzettel.
Das sollte mein erstes "richtiges" Weihnachten werden, als gute Christin, die wirklich ausschließlich Jesus Geburtstag feiert.

Das fiel mir schwer.
Ich vermisste die Lichterketten, die Marzipankartoffeln und die roten Zipfelmützen... so sehr ich mich dafür auch verurteilte, als oberflächlich und kapitalistisch, als "ungeistlich".
So sehr ich mich auch auf Jesus konzentrieren wollte - ich kam einfach nicht in Weihnachtsstimmung.

Nicht bei 30 Grad im Schatten.
Nicht, wenn die allermeisten Menschen um mich herum so weiterlebten, als wäre gar nicht Advent.


Wir beiden Freiwilligen und die Missionarsfamilie taten unser Bestes, den Advent und Weihnachten ungefähr so zu zelebrieren, wie wir es aus Deutschland kannten.
Wie gesagt - wir buken Plätzchen, sangen Weihnachtslieder und öffneten jeden Tag ein Päckchen unseres Adventskalenders.
An Heiligabend saßen wir zusammen, zündeten unsere von der Hitze krummen Kerzen an, lasen die Weihnachtsgeschichte und verteilten Geschenke (aber erst nachdem der Skorpion hinter dem Gitarrenkasten unschädlich gemacht worden war....). Wir hielten stur an unseren Traditionen fest, so wie wir sie kannten. Und der Rest des Dorfes blieb draußen.

Der Rest der Gemeinde feierte am nächsten Tag, am 25. Dezember, einen Weihnachtsgottesdienst mit anschließendem Mittagessen für alle. Ziegen wurden geschlachtet, wir sangen andere Lieder als sonst und in den Familien gab es auch Geschenke, wie ich hörte - ein paar neue Kleidungsstücke für jeden.
Das war Weihnachten für die Christen in Kiserian.

Ein pures Weihnachten, ja. Ohne Konsum, ohne Klimbim, ohne Ablenkung vom Kern.
Ein Weihnachten, das den Umständen der ersten Weihnacht und Jesu Geburt sicherlilch viel näher kam als alles, was wir hier in Deutschland veranstalten.

Für mich war es trotzdem kein "besseres" Weihnachten.
Ich habe lange Zeit gedacht, ich sei eben doch irgendwie oberflächlich und "ungeistlich" und nicht dazu fähig, mich an Weihnachten wirklich nur auf Jesus zu freuen.

Heute sehe ich das ein bisschen anders.

Ein Weihnachten mit Tannengrün, roten Kugeln, Lichterketten und Plätzenduft ist natürlich ein leeres, wenn Jesus fehlt.
Der Umkehrschluss gilt aber nicht automatisch.
Ich habe für mich festgestellt, dass gewisse Traditionen, Rituale und Gestaltungselemente rund um Weihnachten, wie wir es in Deutschland feiern, mir helfen, mich auf Jesus zu freuen und mich daran zu erinnern, dass es um Ihn geht.

Das Grün der Zweige und des Baumes stehen für unsere Hoffnung, für den Triumph des Lebens über den Tod.
Wir zünden Kerzen und Lichterketten an, um zu zeigen, dass Jesus unser Licht ist, das jede Dunkelheit erhellt.
Wir machen uns Geschenke, weil wir Beschenkte sind.
Wir schrubben und dekorieren unsere Häuser, weil wir uns auf die Ankunft eines Königs vorbereiten! Natürlich soll da alles schön aussehen und glänzen, wenn Er kommt.
Und die Freude meiner Kinder über ihren Adventskalender erinnert mich daran, dass jeder Tag mich meinem Jesus näher bringt.

Es ist für mich kein Zufall, dass Weihnachten in die kalte und dunkle Zeit fällt - Jesus kommt zu uns, in unsere dunkle und kalte Welt, als ein hilfloses Baby, als Licht der Welt, als Liebe in Person!
Das ist Weihnachten.


Diese Traditionen sind zu einem großen Teil natürlich kulturgebunden und können nicht einfach so in andere kulturelle Kontexte übertragen werden, ohne ihren Sinn zu verlieren.

Tannenzweige in Kiserian machen als Symbole der Hoffnung keinen Sinn - weil es dort nicht den Wechsel der Jahreszeiten gibt, wie wir ihn erleben.
Natürlich ist Jesus das Licht der ganzen Welt - aber in Kenia haben die Menschen im Advent kein erhöhtes Bedürfnis, sich Kerzen in ihr Zuhause zu stellen. Die Sonne geht weiterhin jeden Tag um sechs Uhr morgens auf und am Abend gegen 18 Uhr unter. Der Dezember ist keine kalte und dunkle Zeit in Kenia - vielmehr eine besonders heiße, grelle, trockene.

Hoffnungslosigkeit und Dunkelheit erleben die Menschen in Kiserian aber natürlich auch.
Auch sie warten auf den König, auf einen Erlöser, auf den Retter der Welt.

Ich glaube, wir haben es damals versäumt, für Kiserian angemessene Formen zu finden, den Advent zu begehen.
Die Vorbereitung auf Weihnachten ist wichtig - die innere und auch die äußere.

Und die Gemeinschaft ist es auch!

Warum haben wir an Heiligabend allein in unserem Wohnzimmer gesessen? Warum haben wir stur an unseren deutschen Traditionen festgehalten, anstatt neue Symbole und Traditionen zu finden, die zu den Gegebenheiten in Kiserian passten?

Als wir gerade gesungen hatten - die Kerzen brannten, die Plätzchen standen auf dem Tisch, die Geschenke lagen auf einer Decke und der Skorpion war erschlagen - klopfte es an der Tür.
Pastor Nelson stand draußen. Ich weiß nicht mehr, was er sagte oder wollte. Aber wir luden ihn nicht ein. Wir (oder zumindest ich, ich kann nicht von den anderen sprechen) empfanden ihn als eine gewisse Störung im weihnachtlichen Ablauf. Nach einem kurzen Gespräch ging er wieder. Und wir feierten weiter. Als einzige im Ort. Wazungu unter sich.

Wenn ich jetzt darüber nachdenke, schäme ich mich und wünschte, wir hätten es geschafft, anders zu feiern.
Gemeinsam.
Auf eine Weise, dass alle mithineingenommen werden.
Mit Bildern und Zeichen, die alle verstehen -
die zeigen: Unser König kommt in unsere Welt.
Er kommt in unsere Nacht.
In unsere unerträgliche Hitze und Trockenheit.
In unsere Sehnsucht nach Regen.
Er kommt zu uns in Hunger und Durst.
Er kommt in unsere Armut und in unseren Reichtum.

Er wird einer von uns.
Nicht als Mzungu, nicht als einer, der alles besser weiß und besser macht und alles hat.
Er macht sich klein für uns,
wird ein winziges Baby,
das beschützt, gefüttert, getragen und geliebt werden muss.

Diese Botschaft ist für alle Menschen,
und kann von allen Menschen verstanden werden -

egal, ob es dort, wo sie leben, Tannenbäume gibt, oder nicht...

Wir sollten uns nur immer wieder fragen, ob die Art und Weise, wie wir Weihnachten - oder überhaupt die gute Botschaft von Jesus - so verpacken und erklären, dass die Menschen, die wir damit erreichen möchten, es auch verstehen.
Und ob die Art und Weise, wie wir feiern, andere ausschließt oder einlädt.




















Dienstag, 24. April 2018

Erinnerung an Kiserian



Sechs junge Mädchen in einem Pick-up-Käfig, der sich rumpelnd und mit wachsender Geschwindigkeit vorwärts bewegt, so dass wir uns festhalten müssen, um nicht durcheinander geworfen zu werden. Trotzdem stoßen wir uns gelegentlich Kopf, Ellenbogen und Knie. Draußen braust die Landschaft vorbei, Bäume strecken ihre dornigen Finger nach uns aus, während sich der vergitterte Himmel von Minute zu Minute verdunkelt – es ist Abend. Einzelne Mücken schwirren um unsere Köpfe. Die Sonne versinkt hinter den Bergen, die wir mit dem Geländewagen erklimmen: Wir, das sind Martin und Pastor Nelson, die vorne sitzen, und wir sechs Mädchen hinten im Käfig: Regina, Miriam, Edna, Margaret, Beate und ich. Es ist unsere erste Fahrt dieser Art, Beate und ich sind erst seit wenigen Tagen in Kiserian, Kenia, und alles ist neu und ungewohnt und aufregend. Martin möchte den Jesusfilm in einem Dorf oben in den Bergen zeigen, und Beate und ich wollten natürlich unbedingt mitkommen.

Die vier anderen Mädchen hinten auf der vergitterten Ladefläche kennen wir noch nicht, aber das macht nichts. Berührungsängste hat keine von uns. Das laute Motorengeräusch sowie das Knirschen und Rumpeln der Steine unter den Reifen machen die Unterhaltung nicht leicht, aber so schreien wir uns eben freundlich an und lächeln darüber hinweg, dass wir kaum ein Wort verstehen. Wie es denn so ist in Deutschland, wollen sie wissen – in ihrer Vorstellung ist es dort immer furchtbar kalt, so kalt, dass sie selbst dort nicht überleben könnten, und außerdem sind alle Menschen in Deutschland reich. Völlig Unrecht haben sie damit jedenfalls nicht. Sie fragen auch, ob wir schon verheiratet sind, schließlich trage ich einen verräterischen Ring am linken Ringfinger; dort, wo in Kenia normalerweise der Ehering hingehört. Ich lache und erzähle von meinem boyfriend, nicht ahnend, dass dieses Wort hier eine etwas andere Bedeutung hat, aber wie hätte ich ihre Frage sonst beantworten sollen? Beziehungen funktionieren eben überall ein bisschen anders, und wie sie hier, in Baringo, funktionieren, darüber weiß ich praktisch noch gar nichts. Die Mädchen lachen, tauschen Blicke, und ich bin irritiert, aber dann stimmt Regina ein Lied an und ich denke einfach nicht mehr darüber nach.

“Bring glory to Jesus, bring glory to Yahweh! I love you, Jesus, you are my Savior!” Regina gibt als Vorsängerin den Refrain vor, den wir anderen nachsingen, und dann wandelt sie die Strophen immer neu ab, während wir fünf den Refrain zwischendurch ständig wiederholen. Es sind wunderschöne Stimmen, so voll und laut, und es steckt so vieles in ihnen, von dem wir noch nichts ahnen: so viel Freude, aber auch Schmerz, Stärke und Stolz und Leben und Weiblichkeit… mit ihren Stimmen entführen uns die vier in eine andere Welt, in ihre Welt, mit jeder Zeile kommen wir ein bisschen mehr in Kiserian an. Beate und ich singen tapfer mit, aber die anderen Mädchen übertönen uns völlig, worüber wir ganz dankbar sind – unsere Stimmen hören sich so viel dünner an…

Irgendwann erreichen wir das Dorf und klettern von der Ladefläche. Es ist inzwischen dunkel geworden, die letzten Sonnenstrahlen werden bald verschwunden sein. Martin nutzt das verbliebene Tageslicht, um die Leinwand und den Projektor aufzubauen. Er spannt ein großes, weißes Laken zwischen die Holzträger des Vordachs der kleinen Kirche. Das Laken flattert, es ist windig, aber es hält. Der Filmprojektor steht hinten auf der Ladefläche des Pick-ups. Alles ist vorbereitet.


Aber zuerst gibt es was zu essen: Jemand drückt Martin, Beate und mir jeweils einen Teller in die Hand: Ugali und Sukuma wiki, festen Maisbrei und Gemüse –  für Beate und mich eine Prämiere. Wir setzen uns auf große Holzscheite, inzwischen kann man kaum noch die Hand vor Augen sehen, und lassen uns von Martin in die hohe Kunst des Ugali-essens einweihen. Zuallererst wäscht man sich natürlich die Hände mit dem Wasser, das die Gastgeber einem reichen. Dann bricht man mit den Fingern kleine Stücke des Ugalis ab, knetet diese in der Hand zu festen Kugeln und taucht sie in den Sukuma. Sukuma wiki, was so viel bedeutet wie push the week, ist ein beliebtes Gemüse, das in etwa Spinat oder Kohl ähnelt. Von den großen grünen Blättern wird zuerst der Stiel großzügig entfernt. Dann legt man die Blätter aufeinander und rollt sie eng zusammen, um sie nun mit einem großen Messer in möglichst dünne Streifen zu schneiden. Der Sukuma wird gemeinsam mit Zwiebelwürfeln zuerst in etwas Fett angebraten und dann mit Wasser gedünstet; oft kann man auch Tomaten, Ei oder Fleischstücke darin finden, dann schmeckt er noch besser. In Kiserian essen die meisten Menschen jeden Tag Ugali und lieben es; auch davon haben wir noch keine Ahnung.

Nach dem Essen gesellt sich Jane zu uns, ein junges Mädchen, das auch den ganzen Weg aus Kiserian gekommen war, um den Film zu sehen. Für den Rest des Abends weicht sie uns nicht von der Seite, worüber ich sehr froh bin, denn sie spricht auch Englisch und erklärt uns, was um uns herum passiert. Inzwischen haben sich allerhand Menschen um die Leinwand versammelt, Männer, Frauen und Kinder, in einem großen Halbkreis, entweder auf Holzbänken, Steinen und dem Boden sitzend oder auch stehend. Über uns allen breitet sich der schwarze Nachthimmel aus, wolkenklar, mit Millionen und Abermillionen Sternen – einen so überwältigenden Anblick des Weltalls habe ich noch nie zuvor erlebt! Ich kann sogar, zum ersten Mal in meinem Leben, Sternschnuppen aufblitzen sehen. 

Ein Mann hält eine Andacht; wir lauschen seinen Worten und genießen den Moment: mit etwa 200 Menschen mitten in der Abgeschiedenheit der Berge unter sternklarem Himmel zu sitzen, als wäre das das selbstverständlichste von der Welt! Na ja, für die allermeisten von uns ist es das auch.
Nun kommen auch die Moskitos – so ein Festmahl können sie sich unmöglich entgehen lassen… Einmal spüre ich eine kleine Hand, die sich von hinten auf meinen Arm legt und mir durch die Haare fährt, ganz vorsichtig, nur einmal die Mzungu berühren… 

Jetzt legt Martin endlich die erste Filmrolle ein und es kann losgehen. Gezeigt wird der Jesusfilm, den Beate und ich auch aus Deutschland kennen, gewissermaßen ein internationaler Klassiker, der hier von einem Sprecher auf Maa (der Sprache der Maasai) erzählt wird, während die Bilder auf der Leinwand vorbeirauschen. Es kommen immer mehr Menschen dazu, alle drängen sich zusammen, wir staunen gemeinsam – manchmal lachen die Leute auch auf oder machen Laute der Empörung. 
In einer Szene kann man für einen kurzen Moment im Menschengewühl Jerusalems einen Mann mit dunkler Hautfarbe erkennen – da geraten die Zuschauer in helle Begeisterung. Irgendwann bricht der Film ab – Martin muss die Filmrolle wechseln. Um die Pause zu überbrücken, stimmt eine Frau irgendwo in der Menge ein Lied an, und nach und nach fallen alle mit ein in den Gesang unter den Sternen, wunderbar! 



Als der Film zu Ende ist, baut Martin den Projektor ab und packt das Laken wieder ein, wir steigen  zurück in unseren Käfig und brausen zurück, durch die schwarze Nacht. Nach einigen Minuten hält  der Pick-up: Ein anderes Fahrzeug auf dem Weg hatte eine Reifenpanne. Martin öffnet die Klappe des Autos und eine Gruppe Leute stieigt zu uns auf die Ladefläche. Jetzt wird es richtig eng, wir sitzen dicht an dicht. Die Rückfahrt erscheint mir endlos; vom langen Sitzen auf den Holzbänken tut mir der Po weh, und außerdem setzen uns die Moskitos zu. 

Es ist so finster, dass wir kaum sehen können, mit wem wir da Knie an Knie, Arm an Arm sitzen; wir werden durchgeschüttelt und stoßen uns alle möglichen Körperteile an und gehören einfach dazu. Im Dunkeln sind alle Katzen grau. Und alle Menschen schwarz. Auf der Rückfahrt singen und reden wir nicht. Wir hängen wohl alle unseren Gedanken nach. Es war ein besonderer Abend, ich weiß es alles noch ganz genau...