Dienstag, 31. März 2015

Was koche ich heute?



Irgendwo habe ich mal gehört, dass es für eine Frau zwei große Lebensfragen gibt: Was koche ich heute? Und: Was ziehe ich an? Ist natürlich ganz schön kurz gedacht, und manche würden wohl auch sagen frauenfeindlich, aber so ein kleines bisschen Wahrheit steckt schon drin. Jedenfalls in meiner aktuellen Lebensphase. Für intensives Rumphilosophieren fehlt mir einfach die Zeit.
Was ziehe ich an? (Sprich: Ist das Oberteil von gestern mit Babyspucke drauf noch in Ordnung? – Passt schon, soll doch jeder sehen, dass ich Mama bin!)
Was koche ich heute? (Kriterien für die Auswahl: Es muss meiner Großen schmecken, darf den Kleinen nicht blähen, soll ggf. Reste vom Vortag verwerten, sollte möglichst schnell und einfach zu machen sein, dabei aber trotzdem gesund, also mit Gemüse. Und aktuell mag ich am liebsten NEUE Rezepte!)
Mit meinen Klamotten halte ich mich morgens nicht lange auf, aber die Mahlzeiten beschäftigen mich schon eine Weile. Um die Sache zu vereinfachen, habe ich schon vor einigen Monaten begonnen, einen Speiseplan für die Woche zu erstellen. Am Sonntagabend setze ich mich für einen Moment hin und überlege, was ich an den einzelnen Tagen kochen möchte. Bei manchen Gerichten bietet es sich an, die doppelte Menge zuzubereiten und zweimal davon zu essen. Aber das mache ich eigentlich nicht besonders oft, weil ich Abwechslung mag und mir das Kochen viel Spaß macht.

In letzter Zeit fiel es mir aber schwer, Gerichte auszuwählen. Irgendwie hatte ich keine Lust mehr auf Nudeln mit Tomatensauce (obwohl das eins von Noemis Lieblingsgerichten ist…) und den üblichen Standardkram aus meiner Rezeptsammlung. Meistens stocherte ich einigermaßen lustlos in meinem Teller rum. Und sonntagabends saß ich ratlos vor meiner Wochentabelle…
Also habe ich mein Rezeptbuch überarbeitet: Einige Rezepte flogen raus, andere wurden neu aufgenommen, außerdem bewahre ich die Rezepte nun  in Klarsichthüllen in einem Ordner auf. So kann ich neue Gerichte leichter aufnehmen und das Papier ist vor Fettspritzern und Dreckfingern sicher.
Und ich habe mir ein neues Ordnungssystem überlegt. In meinem bisherigen Rezeptbuch folgte ich der Standardeinteilung in „Suppen und Eintöpfe“, „Salate“, „Hauptgerichte“ und so weiter. Diese erwies sich für meine Wochenplanung allerdings als nicht so praktisch, da ich gern eine ausgewogene Mischung von Nudel-, Kartoffel-, Reis- und sonstigen Gerichten sowie Vegetarisches, mit Eiern, Fleisch und Fisch haben möchte, diese aber aus den üblichen Kategorien nicht so gut ersichtlich ist.
Deshalb habe ich eine große Tabelle angelegt und die Rezepte entsprechend einsortiert:


Vegetarisch
Mit Fleisch
Mit Fisch
Mit Eiern
Süß
Nudeln





Reis





Kartoffeln





Sonstiges (Couscous, Quinoa etc.)






Auch die Rezepte im Ordner folgen diesem System, sodass ich die Gerichte leichter finde.
Wenn ich meine Wochenplanung mache, nehme ich mir die Tabelle zur Hand und habe alle Gerichte im Überblick. Die Auswahl fällt mir auf diese Weise deutlich leichter – auch kann ich neue Rezepte leichter als bisher aufnehmen (als alle Blätter in einem Ringheft gebunden waren).
Diese Neuerungen sind wirklich neu und müssen sich vielleicht noch für die unterschiedlichen Jahreszeiten bewähren, aber meine ersten Erfahrungen damit waren nur positiv. Vielleicht wird sich mein System auch noch weiterentwickeln. Man könnte zum Beispiel das saisonale Angebot von Obst und Gemüse miteinbeziehen. Und für die Zukunft plane ich einen Glossar, der einzelne Zutaten aufführt (z.B. Brokkoli, Lachs, Kokosmilch) und die passenden Rezepte dazu. Denn manchmal hat man ja noch Reste im Kühlschrank, die man gern verwerten möchte. Auf diese Weise wäre es einfacher, ein Gericht zu finden, mit dem z.B. man die übrigen Kichererbsen  aufbrauchen kann. Somit werden vielleicht weniger Lebensmittel weggeworfen.

Neben meinem Rezepteordner nutze ich zur Zeit das Buch Parents need to eat, too von Debbie Koenig, das ich von meiner lieben Freundin Ulrike zu Noemis Geburt geschenkt bekommen habe. Zuerst war ich von den US-amerikanischen Maßen und Angaben etwas abgeschreckt, jetzt bin ich aber total begeistert von den Rezepten und probiere jede Woche mindestens ein neues aus (lieber zwei oder drei!). Die Gerichte sind anders als die, die bisher auf unserem Speiseplan standen, sie sind lecker und ziemlich unkompliziert in der Vor- und Zubereitung. In einem Kapitel zum Beispiel sind die Gerichte in einzelne, kürzere Zubereitungsschritte eingeteilt, sodass man Schlafphasen der Kinder zum Kochen nutzen kann (nap-friendly!) anstatt eine Stunde lang ununterbrochen in der Küche werkeln zu müssen, was manchmal ohnehin unmöglich ist.
Das einzige Manko bei den Rezepten ist, dass sehr viele von ihnen Bohnen, Erbsen, Linsen und andere potentiell blähende Zutaten enthalten, was für stillende Mamas (bzw. deren Babys) zum Problem werden kann. Bei Samuel habe ich allerdings schon einiges ausprobiert und festgestellt, dass er in der Hinsicht offensichtlich nicht empfindlich ist. Das ist toll, denn dann kann ich dieses superleckere und einfache Gericht öfter einplanen:

Zitronige Brokkoli-Kichererbsen-Pasta (für 3-4)
1 Dose Kichererbsen in ein Sieb geben, abspülen und abtropfen lassen. 1 große Zitrone auspressen. Kichererbsen in einer Schüssel mit ¼ cup Olivenöl und dem Zitronensaft mischen, mit Salz und Pfeffer würzen. Beiseite stellen.
200g Nudeln al dente kochen.
Einen großen Topf Salzwasser zum Kochen bringen. Währenddessen 1 Brokkoli in seine Röschen zerteilen. Die Brokkoli-Röschen ins kochende Wasser geben und etwa 4 Minuten kochen, sodass sie noch bissfest sind. In der Zwischenzeit 2 Knoblauchzehen abziehen und in Scheiben schneiden. Den fertigen Brokkoli abtropfen lassen.
2 EL Olivenöl in einer Pfanne erhitzen, den Knoblauch hineingeben und kurz anschwitzen, dann den Brokkoli und ½ TL Chiliflocken dazugeben. Unter Wenden etwa 5 Minuten garen, bis der Brokkoli weich ist. Kichererbsen und Marinade zufügen und 1-2 Minuten köcheln lassen, bis die Kichererbsen heiß sind. Die Nudeln ebenfalls zufügen, alles mit Salz und Pfeffer würzen.
Zum Schluss 2 gehäufte EL geriebenen Parmesan unterrühren, bis die Nudeln von einer leichten Sauce überzogen sind. Mit extra Parmesan servieren.


Guten Appetit!

Mittwoch, 18. März 2015

Mein verheißenes Land




Das Los ist mir gefallen auf liebliches Land;
Mir ist ein schönes Erbteil geworden.

Psalm 16,6


So viele Menschen um mich herum bereisen die Welt, machen spannende internationale Erfahrungen und lernen interessante Persönlichkeiten kennen. Ich selbst war länger nicht mehr im Ausland und schon ein Wochenendbesuch zu den Schwiegereltern kommt – mit den beiden Kindern – vom Aufwand her einem Staatsakt gleich. Mein Mann hat einen interessanten Job mit vielfältigen Aufgaben und netten Kollegen. Ich bin viel mit den Kindern allein und mache eigentlich jeden Tag dasselbe… Meine Schwester ist einfach nur wunderschön. Wenn wir zusammen unterwegs sind, drehen sich viele Männer nach ihr um. Mein Körper hat schon einmal bessere Zeiten gesehen – aber eine Traumschönheit war ich noch nie, das kann ich jetzt nicht auf die Schwangerschaften schieben…
Morgen haben wir einen Termin zum Küche-Aussuchen. Da gibt es so viele tolle Möglichkeiten der Gestaltung! Wir aber werden uns aufgrund unseres knappen Budgets mit dem günstigsten Standard begnügen müssen.
So besteht mein Leben aus sehr vielen Grenzen, aus eingeschränkten Möglichkeiten und immer wieder auch aus einem „Nicht-mehr“ oder sogar einem „Nie“. You cannot eat the cake and have it at the same time, sagte ein Freund aus Kenia mal zu mir, und ja, das stimmt: Wir können nicht alles auf einmal haben. Gleichzeitig Kinder großziehen, voll im Job aufgehen, unendlich viel Freizeit haben, im Geld schwimmen und Lebenserfahrungen sammeln ohne zu altern  – das alles ist wohl unmöglich unter einen Hut zu bringen. Für mich jedenfalls. Mein Leben sieht anders aus und erscheint mir oft so klein und arm.

Heute Morgen hatte ich im Bad ein bisschen Zeit für mich (bevor beide Kinder gleichzeitig zu Schreien anfingen…) und las einen Artikel in der frisch erschienenen Ausgabe der Faszination Bibel. Es war ein Artikel über Josua, den Nachfolger Moses im Alten Testament: Ein hochbegabter, vielversprechender Mann, der sich zunächst als Kundschafter bewährte und schließlich das Volk Israel ins verheißene Land führte. Markus Franz schreibt in seinem Artikel, dass Josua viele Qualitäten und das Zeug zum Herrscher gehabt habe. Dennoch errichtet er keinen Staat und erhebt sich auch nicht zum Oberhaupt einer Dynastie, auch wirkt er kaum außenpolitisch. Man könnte auch sagen, dass er weit unter seinen Möglichkeiten blieb.
Und tatsächlich war Josuas Leben von vielen Grenzen bestimmt: Gott schrieb den Israeliten zum Beispiel genau vor, welche Gebiete sie einnehmen sollten. Das versprochene Land war von Anfang an begrenzt – und die Grenzen legte nicht Josua fest. Überhaupt war es Gott, der die wesentlichen Entscheidungen traf und Josua Vorgaben zu allen möglichen Lebensbereichen machte: So durften die  Israeliten ihre Feinde nicht so ausplündern, wie es bei anderen Völkern üblich war. Auch verbot Gott in Josua 11 die erbeuteten hochmodernen Streitwagen zu nutzen – vielmehr sollte Josua sie zerstören. Es war zu jeder Zeit klar, dass die Landnahme Kanaans Gottes Sache war. Josua hatte sich unterzuordnen und zu gehorchen. Es ging nicht darum, dass er sich selbst verwirklichen und sich einen Namen für die Ewigkeit machen sollte.
Die Wüstenwanderung des Volkes Israel und auch die Person Josua sind mir seit meiner Kindheit bekannt. Aber als ich diesen Artikel las, sprach seine Geschichte zum ersten Mal zu mir. Zum ersten Mal kann ich mich mit diesem Mann, der vor mehreren Tausend Jahren lebte, unter völlig anderen Umständen als ich, irgendwie identifizieren. Und ich kann so viel von ihm lernen!
Denn Josua geht mit seinen Grenzen ganz anders um als ich. Mir kommt es oft so vor, als bliebe ich in meinem Leben völlig unter meinen Möglichkeiten. Manchmal bin ich tatsächlich so vermessen zu glauben, ich könnte super erfolgreich sein, zum Beispiel als Autorin, wenn die Kinder nicht wären. Und es wurmt mich, dass meine intellektuellen Fähigkeiten verkümmern, während mein Mann gerade richtig viel Neues lernt. Ich vermute, dass der Teenkreis ohne mich den Bach runtergeht. Tatsächlich: Ich reibe mich sehr an meinen Grenzen:  Ich würde so gern weiter in der Jugendarbeit unserer Gemeinde aktiv sein – aber wegen der Kinder geht das momentan nicht. Ich hätte so gern meine Traumküche – leider reicht dafür das Geld nicht. Ich möchte noch einmal studieren oder vielleicht eine Fernbibelschule absolvieren – dafür habe ich allerdings gerade weder die Zeit noch das Geld. Ich wünschte, ich könnte auch so viel reisen und unternehmen wie meine kinderlosen Freundinnen! Ach, hätte ich doch wieder meinen Vorschwangerschaftskörper zurück! Wenn ich doch so wunderbar schreiben könnte wie Christina Brudereck… So könnte es endlos weitergehen.
Josua allerdings scheint solche Hätte-Hätte-Fahrradkette-Gedanken nicht gehabt zu haben. Markus Franz schreibt: „Josua klagte nicht ständig über Behinderungen. Er war unbezwingbar, unwiderstehlich, bewundernswert erfolgreich. Und zwar innerhalb seiner Grenzen.“ Er persönlich zog daraus die ermutigende Erkenntnis: „Meine unverrückbaren Grenzen sind nicht Fluch und böses Schicksal. Diese Begrenzungen stehen – wie bei Josuas Kanaan – rund um den Ort herum, an dem sich Gott erfahrbar machen möchte. An dem er mir seine Freundschaft schenken möchte. An dem ich wirksam und für andere da sein soll. […] Die Erfüllung meines Lebens hängt nicht von der Weite meiner Möglichkeiten ab, sondern von der Nähe Gottes. Ich muss über meinen Begrenzungen nicht müde oder bitter werden. Ich darf gespannt sein, was sich da für mich und andere täglich entfaltet.“

Dieses Leben, das ich gerade lebe, ist mein versprochenes Land. Mit all seinen Limitierungen und Grenzen. Ich gehe fest davon aus, dass Gott mich an diesen Ort gestellt hat, und in diese Lebensumstände. Er hat mir diese beiden Kinder anvertraut. Diesen Körper. Dieses Maß an freier Zeit. Diesen Mann. Dieses Budget. Diese Beziehungen, Fähigkeiten, Aufgaben, diese Nachbarschaft.
Dies ist mein Kanaan, das ich erobern darf. In dem ich mich entfalten kann, mit allem, was ich bin und habe. Dessen Reichtum ich entdecken und genießen darf. Mein Kanaan, das Gott mir geschenkt hat – mit dem er mich herausfordert und in dem er stets bei mir ist. In diesem meinem gelobten Land darf ich Ihn immer wieder suchen – und Er lässt sich von mir finden.

Und manchmal ist das, was wie eine Begrenzung erscheint, vielleicht auch eine völlig neue Möglichkeit: Durch die Kinder habe ich ein großartiges Themenfeld erschlossen, über das ich schreiben kann. Überhaupt hat dieser Blog hier viel mit meinem Mutteralltag zu tun! Im Teenkreis unserer Gemeinde kann ich mich gerade nicht einbringen – aber durch die Kinder ergeben sich neue Berührungspunkte mit den Jugendlichen, die sich gern als Babysitter engagieren oder mit mir und den Kindern Zeit verbringen. Und ich kann mich zwar gerade geistig und intellektuell weiterentwickeln – dafür lerne ich unheimlich viel auf anderen Ebenen, über mich selbst, über das Menschsein und über Gott. Ich darf in meiner Persönlichkeit reifen und in der Beziehung zu Gott wachsen, in meinem persönlichen verheißenen Land.

Hier möchte ich sein und ganz im Jetzt. Denn hier und jetzt ist das Leben, das Gott für mich vorbereitet hat. Hier und jetzt sind meine Kinder, die mich brauchen und für die ich da sein soll. Nicht im Konjunktiv möchte Gott mir begegnen, nicht an einem Ort meiner idealisierten Vorstellung, nicht in der verklärten Vergangenheit oder in einer utopischen Zukunft. Sondern im Hier und Jetzt. 



Donnerstag, 12. März 2015

Count your blessings, Mama!



Das Wetter passt gerade ziemlich gut zu meiner Stimmung: Graue Wolken hängen auch über meinem Gemüt und lassen permanent feine negative Gedanken auf mich herabfallen. Ich fühle mich unendlich erschöpft und müde, wünsche mir nichts mehr als eine echte Pause (also gern tagelang!), die ich mir aber gerade nicht gönnen kann. Irgendwie ist mir die Freude abhandengekommen. Nicht einmal über unseren neuen Mietvertrag, gestern frisch unterschrieben, kann ich mich so richtig freuen, da der Umzug momentan hauptsächlich Stress bedeutet. Was da alles gemacht werden muss! Wie soll ich das neben dem alltäglichen Wahnsinn noch bewältigen können?
Und dann ist da diese dröhnende Stimme in meinem Kopf, die eigentlich gar nicht mehr aufhört, die ich einfach nicht ausschalten kann, die mir sagt, dass ich eine Komplettversagerin bin, als Mutter und überhaupt. Die mir sagt, dass ich mich niemandem öffnen darf – denn wer würde mich denn bitteschön noch mögen, wenn er erstmal die ungeschönte Wahrheit über mich wüsste? Wer könnte mir denn noch ehrlich sagen, ich sei eine gute Mutter, wenn er mich mal in meinem kinderschreienden, zähneklappernden, wuttränenden Alltag erleben würde? Ihr wisst ja gar nicht, wie ich sein kann… wie ich bin, manchmal…
Meine Geduld ist wie eine hauchdünne Eisschicht auf einem See. Da reicht ein einzelner Schritt, um einzubrechen. Meine Nerven sind wie eine Zitrone, aus der kein Tropfen Saft mehr herauszupressen ist, egal wie sehr man es versucht. Ein leeres Glas bin ich.
Wenn ich gegen Mitternacht ins Bett schlüpfe, in der Hoffnung auf wenigstens drei Stunden Schlaf am Stück, frage ich mich oft, was ich an diesem vergangenen Tag eigentlich gemacht habe. Was das für ein Tag war, was für ein Stück Leben. Und ich frage mich, worauf ich mich am nächsten Tag freue. Viel zu selten fällt mir da etwas ein. Mein Alltag scheint mir so unendlich gleichförmig, langweilig, stumpf. Die Kinder versorgen. Haushalt. Termine, ab und zu. Vielleicht ein Besuch. Spaziergänge. Gottesdienst. Die Kinder versorgen. Haushalt… Dröger Alltag eben. „Das ist jetzt dein Leben, Rebekka“, sage ich mir selbst. „Schau es dir an. Und, das hast du dir das so vorgestellt?“  
Ehrlich gesagt, nein. In der trüben Stimmung, in der ich mich gerade befinde, würde ich behaupten, dass mir mein Leben so, wie es gerade ist, nicht gefällt. Dass es mich eigentlich nur nervt, anödet, anstrengt. Mir fehlt das Besondere! Ich wünsche mir ein bisschen mehr Glanz. Ein Feuerwerk. Freude. Spannung – im positiven Sinne. Erlebnisse für die Ewigkeit. Glücksgefühle!

Doch dann spricht endlich die Vernunft: Wer lebt denn bitteschön so ein Leben im Glückstaumel? Wie stellst du dir ein solch „besonderes“ Leben vor, mal ganz konkret? Und ist das Leben denn nicht hauptsächlich Alltag, für jeden von uns? An den Rahmenbedingungen kannst du jetzt gerade nichts ändern, wohl wahr, aber kommt es nicht sowieso auf etwas ganz anderes an? Ganz ehrlich, Baby, dein Problem ist doch gar nicht der Alltag, sondern deine grottige attitude!
(Und die Vernunft redet sich in Rage. Wo sie doch Recht hat und ihr so selten zugehört wird!) Ja, du bist gerade völlig übermüdet und hast keine Energie für irgendwas (außer vielleicht fürs Jammern… schon mal darüber nachgedacht?). Ist doch völlig ok! Und geht auch wieder vorbei, irgendwann. Das ist eben das Elternleben mit allen seinen Facetten. Und der Schlafmangel und das Kindergeschrei, das sind nur zwei Facetten von vielen. Es sind sehr unglamouröse, muss man zugeben, aber doch nicht die Einzigen! Da gibt es auch so viel Schönes, sieh doch mal genauer hin!

Und ich reibe meine müden Augen, putze die verdreckten Brillengläser und sehe genau hin.
Mein Leben, die schönen Facetten:
Noemis „Mama, Mama“ – den ganzen Tag lang. Das erfüllt mich mit Stolz. Noemis Küsse, großzügig verteilt an uns alle, aus Hand und Mund. Noemis Lachen. Ihre Sprechversuche, jedes neues Wort (aktuell: Doch!). Noemis Pirouetten. Und ihr Hin- und Hergeflitze durch die ganze Wohnung. Ihre Liebesbekundungen dem kleinen Bruder gegenüber. Ihr ausgiebiger Mittagsschlaf. Der neuste Quatsch, den sie sich ausgedacht hat. Erste zarte Freundschaften, die sie im Mini-Club knüpft. Dass sie so unkompliziert ist. Ihre aufgeschlossene Art. Ihre schönen blauen Augen. Dass sie eigentlich nie krank ist. Und dass sie gut und gerne isst, auch Gemüse.
Samuels Lächeln und sein Glucksen, seine allerersten Mitteilungen an diese Welt. Sein Strampeln. Seine Kraft. Sein weiches Babyhaar, seine zarte Haut. Unkomplizierte Stillmahlzeiten. Hier und da ein Schläfchen. Diese rasante Entwicklung, sein Wachstum, seine Gesundheit. Sein weicher Körper, der sich im Schlaf an mich schmiegt. Samuels freundliches Wesen. Seine Wachheit. Und wie er auf seine große Schwester reagiert. Dass er inzwischen im eigenen Bettchen schläft. Und sich auch mal eine Zeit allein beschäftigen kann. Wie er sich einfach nur darüber freut, da zu sein!
Falkos Liebesbotschaften, die ich morgens auf dem Frühstückstisch vorfinde. Eine warme Umarmung, ein Kuss. Die Rosen, die er mir vom Einkaufen mitbringt. Und die Schokolade… Spaziergang-Gespräche. Ein kurzer Anruf von der Arbeit aus. Seine Verlässlichkeit. Dass er den Abwasch macht. Gemeinsam eine Folge Big-Bang-Theory schauen. Oder einen Worthaus-Vortrag hören. Versuchen, das neue Spiel auszuprobieren. Sich wortlos verstehen. Weinen dürfen. Zum Lachen gebracht werden. Nichts als selbstverständlich nehmen. Bald in eine neue Wohnung ziehen. Gestaltungsfreiheit haben. Gemeinsam Pläne schmieden. Ideen sammeln.
Neue Rezepte ausprobieren. An der frischen Luft sein. Stricken, und Reihe für Reihe sehen, wie etwas Schönes entsteht. Schreiben. Meine Mama anrufen und mich verstanden wissen, auch wenn ich vor lauter Tränen nichts sagen kann. Fotos und Filme der Kinder an die Verwandtschaft verschicken und Entzücken ernten. Zitronenkuchen backen. Sich über den frisch gesaugten Fußboden freuen, und über die saubere Wäsche im Schrank. Ein neues Buch aufschlagen. Durch die Küche tanzen. Ein Mittagsschläfchen wagen. Ehrlichkeit riskieren. Danken.
Sich neue Perspektiven aufzeigen lassen, immer wieder.

Love life – all of it. Embrace chaos. Count your blessings.


Freitag, 6. März 2015

Bücherliebe #1 Seidenkinder




Zu meinen Lieblingskindheitserinnerungen gehört die des Lesen Lernens. Jeder neue Buchstabe war eine Offenbarung, wie ein Schlüssel, mit dem ich eine weitere Tür zur Welt öffnen konnte, und ich kam total begeistert und erfüllt von der Schule nach Hause. Lesen war also von Anfang an meine große Leidenschaft.
Zu den Dingen, die ich (gerade in dieser anstrengenden Kleinkindphase) unbedingt für mein geistiges und seelisches Wohlbefinden brauche, gehört neben ausreichend Kuscheleinheiten mit meinem Mann, Schokolade und meinem Tagebuch auch das Lesen. Mein „Lesen!-Regal“ direkt neben unserem Sofa muss immer mit mindestens einem neuen Buch bestückt sein, sonst gerate ich aus dem Gleichgewicht. Und weil Lesen so etwas Schönes ist, und ich mich gern über Bücher unterhalte und Buchtipps bekomme (und ich hätte eigentlich gern einen Buch-Club!), habe ich mir diese neue Blog-Kategorie überlegt, in der ich meine aktuelle Lektüre vorstelle: Bücherliebe.

Dieses erste Mal nehme ich mir einen Roman aus der christlichen Literaturwelt vor – was eigentlich ungewöhnlich ist, denn ich lese (abgesehen von theologischen Büchern oder vielleicht mal einem Ratgeber) eigentlich keine „christliche“ Literatur. Ich habe da noch nie etwas gefunden, das mich wirklich angesprochen und begeistert hat. Leider!
Der Roman Seidenkinder von Christina Brudereck allerdings ist anders und aus verschiedenen Gründen lesenswert: 1.  Er ist von Christina Brudereck und Christina Brudereck ist toll! Finde ich jedenfalls. Im letzten Mai durfte ich an einem von ihr geleiteten Schreibseminar teilnehmen und sie selbst ein bisschen kennenlernen. Sie ist eine leidenschaftliche und inspirierende Persönlichkeit und ich bewundere ihre Wortgewandtheit! Sie hat mich wirklich in meinem Schreiben vorangebracht und ermutigt. (Noch besser als Seidenkinder finde ich allerdings ihre Gedichte und ihre CDs von 2Flügel!) 2. Es ist ein Roman aus der christlichen Literaturszene. Auch wenn sie vielleicht nicht die allerhochwertigste Literatur hervorbringt, so ist es doch notwendig, dass es sie gibt und dass wir sie unterstützen. Damit sich etwas bewegt. 3. Seidenkinder ist kein typisches frommes Buch, von wegen die richtige Antwort lautet immer „Jesus“, egal was man gefragt hat – oder auch nicht. Aber dazu dann weiter unten mehr…


Seidenkinder

Von Christina Brudereck, 2008

Der erste Satz: Trockenheit und Hitze.

Ein Satz, der nachklingt: Ich frage mich, was Gott empfindet, wenn er diese Welt sieht.

Darum geht’s:
Die Protagonistinnen sind zwei Frauen „im besten Alter“: Anne aus den USA und Priya aus Indien. Sie begegnen sich, als die eine bereits vierfache Mutter ist, die andere (unwissentlich) schwanger. Sie schließen eine tiefe Freundschaft, trotzen damit allen sprachlichen (und sonstigen) Barrieren, und versprechen sich, ihre Söhne als „Seidenkinder“ zu erziehen – stark und sanft zugleich. Sie schreiben sich Briefe, dann reißt der Kontakt ab.
Matt, Annes Sohn, möchte mit seinem Sohn Tom nach Indien reisen. Er ist Anwalt und Idealist, hat Sehnsucht nach Gerechtigkeit, möchte sich für die Schwachen der Welt einsetzen. Von seiner Mutter Anne erhalten die beiden den Auftrag, Priya und ihren Sohn Jaya zu finden.
Auf ihrer Reise durch Indien, auf der Suche nach Priya, begegnen Matt und Tom den unterschiedlichsten Menschen: Einem Sikh mit seinem behinderten Sohn, einem jungen Amerikaner, der gemeinsam mit Mutter Teresa Sterbende pflegte, katholischen Nonnen, einer Umweltaktivistin. Sie führen Gespräche, die Spuren in ihnen hinterlassen und jedem für sich, Vater und Sohn, eine neue Lebensaufgabe eröffnen.
Jayas Geschichte, und die seiner Mutter, wird parallel erzählt: Wie sein Leben auf der Straße begann und durch eine unverhoffte Begegnung eine unvorstellbare Wende erlebte, wie er schließlich selbst zum Leiter eines Zuhauses für indische Straßenkinder wurde.

Meine Leseerfahrung:
Um es gleich vorweg zu nehmen: Seidenkinder ist kein spannendes Buch. Zwei Amerikaner reisen durch Indien, auf der Suche nach einer alten Frau und ihrem Sohn. Dabei „passiert“ ihnen nicht wirklich viel, wenn man von den vielfältigen Begegnungen und Gesprächen absieht.
Aber eigentlich geht es ja auch genau um diese Begegnungen und Gespräche, es geht um eine „innere“ Reise, um die Suche nach der „Lebensaufgabe“ und um die Frage: „Wem vertraust du am Ende wirklich? Wer ist dein Herr?“ Obwohl im Roman unterschiedliche Weltanschauungen und Religionen zu Wort kommen, ist doch klar, dass für Anne, Priya und Jaya nur Jesus als Antwort auf diese letzte Lebensfrage möglich ist. Und dennoch wird der christliche Glaube (in meiner Wahrnehmung) dem Leser nicht platt auf dem Silbertablett präsentiert, sondern leise und authentisch aus der Perspektive eines Suchenden. Somit kann sich das Buch auch eignen, es an Menschen weiterzugeben oder zu verschenken, die mit Jesus und dem christlichen Glauben (noch) nichts anfangen können.
Der Autorin geht es aber auch um soziale Gerechtigkeit, um die ganz großen Herausforderungen, vor denen Indien aktuell steht: HIV-Aids, gigantische Staudammprojekte, problematische Saatgut-Politik, der Kampf der Pharmakonzerne um Generika. Das Leid der Menschen und die himmelschreiende Ungerechtigkeit machen betroffen und wütend. Gleichzeitig fand ich doch, dass Christina Brudereck zu viele Fässer gleichzeitig aufgemacht hat und sich vielleicht besser auf ein oder zwei Themen beschränkt hätte.
Ein weiteres Manko sind meiner Meinung nach die Figuren, die mir zu flach und glatt erschienen, ohne Ecken und Kanten, die einfach zu „gut“ und zu idealistisch waren, als dass ich mich mit ihnen hätte identifizieren können. Teilweise gingen sie mir mit ihrer Gutmenschenart eher auf die Nerven...

Fazit:
Ein gut lesbarer Roman, der, wie gesagt, nicht typisch ist für die „christliche“ Romanwelt – das hat mir daran gefallen. Christina Brudereck schafft es, zum Nachdenken anzuregen: Wer ist wirklich der Herr in meinem Leben? Was ist meine „Lebensaufgabe“? Was kann ich dafür tun, dass es auf dieser Welt gerechter zugeht? Wie sieht echte Nachfolge Jesu wirklich aus?
Und am Ende erlebt man sogar noch eine kleine Überraschung, die das Buch schön rund macht und mich mit seinen Schwächen versöhnt hat. Lesen!