Montag, 31. Oktober 2016

Und trotzdem war es schön!





In den letzten drei Blog-Posts konntet ihr unsere Budapest-Reise ziemlich gut mit verfolgen, und man könnte denken, damit wäre alles darüber gesagt (waren ja lang genug, die Posts…). Wenn ich mir die Fotos so anschaue und mir vergegenwärtige, was wir alles gesehen und erlebt haben, dann hatten wir wohl eine ziemlich gute Zeit. Die Rahmenbedingungen unseres Trips waren aber alles andere als optimal, sodass bei mir zunächst ein ungutes Gefühl zurückblieb.

Wir hatten das verlängerte Wochenende natürlich schon Monate im Voraus geplant, wobei uns aber auch klar war, dass in letzter Sekunde etwas passieren konnte, das unseren Abflug verhindern würde. So ist das eben, wenn man Kinder hat… Beinahe wäre es tatsächlich so gekommen, denn unser Sohnemann entwickelte am Freitagnachmittag aus heiterem Himmel hohes Fieber. Ich schob es auf die Eckzähne, auf die wir schon länger warten und die ihm gerade zu schaffen machten. Aber dafür war das Fieber vielleicht zu hoch? Meine Mama kam gegen Abend zu uns und wir entschieden, dem Kleinen vorm Schlafen ein Zäpfchen zu geben und einfach zu schauen, wie die Nacht werden würde.
Am Samstagmorgen mussten wir schon sehr früh los, und da die Nacht vollkommen ruhig verlaufen war und Samuel sich normal warm anfühlte, machten wir uns auf den Weg zum Flughafen. Meine Mutter meinte, das werde sich schon geben und wir sollten die Reise nicht absagen. Ich schob meine Rabenmutter-Gedanken zur Seite und freute mich auf meine Lieblingsstadt!

Tagsüber blieb ich mit meiner Mama in Kontakt und erfuhr, dass das Fieber im Lauf des Tages wieder deutlich anstieg. Unser Kind war total schlapp, wollte weder essen noch trinken und glühte vor sich hin. Als mein Mann und ich am Abend im Táskarádio Eszpresszó saßen (wo wir den Tag gemütlich hatten ausklingen lassen wollen), waren wir ziemlich bedrückt und besorgt. Sollten wir lieber zurückfliegen? Aber was konnten wir schon anderes tun als meine Mutter? Vielleicht würde er am nächsten Morgen schon wieder ganz der Alte sein? Wir gingen früh ins Bett und schliefen schlecht. Am Sonntagmorgen ging es Samuel Gott sei Dank besser und seine Temperatur blieb den Tag über im Normalbereich. Dafür erfuhren wir, dass unsere Tochter sich in den frühen Morgenstunden mehrmals übergeben hatte! Es ginge ihr wieder gut, versuchte meine Mutter mich zu beruhigen; sie habe sich nur übergessen… Für uns war es trotzdem schwierig, den Tag zu genießen und nicht ständig an unsere kränkelnden Kinder zu Hause zu denken.

Zumal wir uns bei aller Unabhängigkeit nicht wirklich „frei“ fühlten: Wegen des Nationalfeiertages und anderer Ereignisse konnten wir unser geplantes Programm nicht durchziehen und standen mehrmals vor verschlossenen Türen – sowohl am Sonntag als auch am Montag. Das hatten wir bei der Reiseplanung überhaupt nicht bedacht und ärgerten uns nun darüber.

Als wir am Montagabend wieder in Berlin landeten, schliefen unsere Kinder schon tief und fest. Es ging ihnen wieder gut und wir brauchten uns um ihre Gesundheit nicht mehr zu sorgen. Mein Liebster musste allerdings seine Tasche gleich für den nächsten Trip umpacken: Am nächsten Morgen ging es für ihn beruflich nach Düsseldorf – die auf unsere Reise folgenden Tage mussten wir ohne ihn zurechtkommen. Das war ziemlich stressig für uns alle. Gott sei Dank blieb meine Mutter noch einen Tag länger bei uns – denn den kompletten Dienstag schrie unser Sohn wie am Spieß. Als er mich am Morgen erblickte, ging es los: Er brüllte, schubste mich weg, wollte auf meinen Arm und dann doch nicht, schlug nach mir, schrie und schrie und schrie. Es dauerte drei Tage bis er wieder gut auf mich zu sprechen war, wobei er am Mittwoch wenigstens nicht mehr so viel schrie… Es war furchtbar!
Darauf war ich nicht vorbereitet gewesen. Ich erkannte mein eigenes Kind nicht mehr wieder: Mein kleiner, fröhlicher Kerl war mir gegenüber total reserviert und misstrauisch, er rannte nicht durch die Wohnung, er lachte nicht und er redete nicht. Ihn so zu erleben, tat mir unendlich weh. Es verunsicherte mich – und die Rabenmutter-Gedanken meldeten sich lautstark zu Wort: Du hättest ihn nicht allein lassen dürfen, schon gar nicht, als er krank war! Das war viel zu früh und viel zu lang und viel zu weit – das hättest du wissen müssen! Jetzt ist eure Mutter-Sohn-Beziehung vielleicht für immer gestört…

Und mein Mann konnte nicht bei uns sein, um diese Zeit mit mir gemeinsam zu bestehen. Das war schon ein harter Kontrast – nach drei Tagen intensiver Paarzeit bekamen wir uns fast drei Tage nicht zu Gesicht. Die Stimmung zwischen uns war nicht gerade rosig, als er von seiner Dienstreise zurückkam. Ich war total fertig von der Woche und wollte am Wochenende nur noch alle viere von mir strecken. Unsere Reise kam mir wie ein Fiasko vor, wie ein einziger Fehler, für den ich teuer bezahlen musste.

Inzwischen denke ich ein bisschen anders darüber. 
Meine Gedanken und Gefühle haben sich abgekühlt...

Mein Liebster und ich haben uns lange unterhalten und die Reise für uns ausgewertet. Folgende Erkenntnisse konnten wir für uns gewinnen:

Wir können nicht so tun (auch nicht für ein Wochenende), als hätten wir keine Kinder.
Ja, wir hatten uns das tatsächlich so vorgestellt: Wir geben die Kinder bei Oma ab und dann verleben wir eine ganz unbeschwerte Zeit miteinander, ganz so, wie wir sie vor der Kleinkindphase zusammen hatten. Nein, so funktioniert das nicht!
Wir können nicht einfach die Kinder aus unserem Bewusstsein streichen und wieder „Nicht-Eltern“ sein. Wir sind und bleiben Eltern, auch wenn unsere Kinder gerade nicht bei uns sind. Noemi und Samuel gehören so fest zu uns, dass wir uns ohne sie irgendwie unvollständig fühlen (das liegt sicherlich auch daran, dass sie noch so jung sind und es überhaupt die allererste Trennung von Samuel für mich war). Das Sich-Sorgen und Vermissen gehört wohl zu einer solchen Reise dazu – das wissen wir jetzt.

Nicht zu viel auf einmal wollen.
Gerade weil es unsere erste Reise ohne Kinder war, hatten wir uns besonders darauf gefreut und viele Erwartungen und Hoffnungen in die Zeit zu zweit gesteckt. Im Nachhinein wäre es wohl sinnvoller gewesen, klein anzufangen: Zuerst nur für einen Tag (und vielleicht eine Nacht) wegfahren, und nur so weit, dass man im Notfall schnell wieder zu Hause sein kann. Und dann kann man sich steigern. Für uns waren drei Tage und zwei Nächte in Budapest eigentlich zu viel: Zu weit und zu lange weg. Und für unseren Sohn mit seinen 21 Monaten war es anscheinend noch etwas zu früh, über so einen Zeitraum von mir getrennt zu sein. (Inzwischen geht es uns beiden wieder sehr gut und er ist wieder der kleine, wilde Racker wie eh und je!)

Entweder richtig gut planen oder total spontan sein – ein Mittelding funktioniert für uns nicht.
Wir sind beide ziemliche Planungsfreaks. Aber ausgerechnet bei dieser Reise haben wir die Vorbereitungen etwas schleifen lassen – wahrscheinlich weil wir die Stadt schon recht gut kannten und meinten, es nicht nötig zu haben, uns genau zu informieren. Leider konnten wir unsere mangelnde Planung und all die daraus resultierenden „Fehlschläge“ nicht mit Spontaneität und Flexibilität ausgleichen… das gehört nicht zu unseren Stärken.
Für die Zukunft bedeutet das, dass wir erstens: Unsere Reisen und das Programm besser planen werden und zweitens: Aber auch lernen möchten, flexibler zu reagieren, wenn ein Plan mal nicht aufgeht. Dabei brauchen wir jeweils die Unterstützung des anderen.

Den Kontakt nach Hause sinnvoll gestalten und begrenzen.
Internetfähige Smartphones und WhatsApp sind auf einer Reise natürlich unendlich praktisch. Gleichzeitig können die permanente Erreichbarkeit und die Möglichkeit zur Kommunikation mit den Kindern auch störend bzw. kontraproduktiv sein. Für mich war es wichtig, mit meiner Mama in Kontakt zu sein, um zu hören, wie es den Kindern ging. Aber was brachte es mir, zu wissen, dass das Fieber gestiegen war oder dass unsere Tochter erbrochen hatte? Letztlich führte diese Information ja nicht dazu, dass wir vorzeitig nach Hause flogen, sondern hatte „nur“ zur Folge, dass wir uns sorgten und unseren Budapest-Aufenthalt nicht uneingeschränkt genießen konnten.
Wir sind uns noch nicht sicher, wie ein gutes Maß an Kontakt nach Hause aussieht, aber wahrscheinlich ist weniger in diesem Fall mehr… dann hat man auch mehr zu erzählen, wenn man wieder zu Hause bei seinen Lieben ist.

Wir sind immer wieder ganz bewusst im Hier und Jetzt.
Auch wenn die Kinder uns ständig durch die Gedankenwelt huschen: Immer wieder dürfen wir sie auch ausladen und uns bewusst auf das Hier und Jetzt konzentrieren. Achtsam reisen würde ich das nennen: Was sehe ich? Von welchen Geräuschen und Gerüchen bin ich umgeben? Wie fühlt mein Körper sich an – und der Körper meines Mannes? Was fühle ich?
Das bedeutet auch, die Kamera mal stecken zu lassen und einen Moment einfach nur zu genießen, ohne ihn sofort auf ein Foto zu bannen.

Wir konzentrieren uns auf das, was schön war!
Es ist leicht für mich, in schlechte Stimmung zu verfallen und unsere Reise als Reinfall zu betrachten. Leider… Negative Gedanken ploppen schnell in mir auf. Aber das bedeutet nicht, dass ich ihnen allzu viel Beachtung schenken muss.
Falko und ich haben beschlossen, aus unserem Wochenend-Trip zu lernen und die positiven Aspekte in unserer Erinnerung zu verstärken. Hilfreich fand ich für mich, unsere Fotos zu sichten und Blog-Posts zu Budapest zu verfassen. Dabei machte ich mir bewusst, wie viele wunderschöne Momente wir miteinander teilen durften. Inzwischen bin ich auch dabei, ein Fotobuch des Wochenendes zu gestalten und habe viel Spaß daran. Die negativen Seiten spare ich dabei einfach aus…


Mein Mann und ich wissen noch nicht, wann wir das nächste Mal zu zweit verreisen werden.
Das wird auf jeden Fall irgendwann wieder fällig – und ich freue mich auch darauf.
Aber der nächste Urlaub wird wieder ein richtiger Familienurlaub sein: wir und unsere Kinder.
Das steht fest.




Sonntag, 30. Oktober 2016

Budapest, szerelmem # 3


Unser letzter Tag in Budapest begann mit einem ordentlichen Frühstück im Centrál Kávéház (Károlyi utca 9). Dieses traditionsreiche Kaffeehaus gibt sogar eine eigene kleine "Zeitung" heraus - das hat schon Stil! Für meinen Mann gab es, ganz herzhaft, Spiegelei, Bacon und Letscho; ich entschied mich für das "Fitness-Frühstück" mit Müsli, Joghurt und Obst. Wenn wir unterwegs sind, finde ich es immer gar nicht so einfach, mich vernünftig zu ernähren; da war ich über diese Mahlzeit wirklich sehr dankbar :)




Wir hatten uns einiges vorgenommen, um die letzten uns bleibenden Stunden in der Lieblingsstadt voll auszukosten. Da wir nicht noch einmal so einen Reinfall wie am gestrigen Tag erleben wollten, hatten wir vorher ein bisschen recherchiert und herausgefunden, dass nach wie vor so gut wie alle Budapester Museen montags geschlossen haben. Einzig das Mai Manó Ház, das ungarische Fotografie-Museum, sollte um 11 Uhr seine Pforten öffnen. Dort wollten wir hin - wenigstens ein einziges Museum wollte ich an diesem Wochenende besuchen!

Vorher fuhren wir noch mit der Tram nach Buda, um das Grabmahl des berühmten türkischen Derwischs Gül Baba ("Vater der Rosen") anzusehen. Dieser war 1531 von seinem Sultan nach Buda gesandt worden und hatte in der Stadt ein Derwisch-Zentrum gegründet. Möglicherweise führte er die Rose nach Ungarn ein. Sein Grabmahl gilt als nördlichster Wallfahrtsort des Islam, und das wollten wir uns mal anschauen. Leider wurde uns der Weg von einem großen Bauzaun versperrt - "wegen umfassenden Renovierungsarbeiten kann das Grabmahl derzeit nicht besichtigt werden". Toll. Also machten wir wieder kehrt und machten uns erst gar keine Mühe, den irgendwo in der Umgebung befindlichen Rozsadomb (Rosenhügel) zu suchen.

Jetzt bekam ich schlechte Laune. Dieser sinnlose Ausflug auf die andere Donau-Seite hatte uns nur kostbare Zeit gekostet und nichts gebracht. Ich wollte doch die uns bleibenden Stunden richtig nutzen und noch etwas Interessantes erleben! Stattdessen liefen wir durch eine (zugegebenermaßen) ziemlich hässliche Ecke der Stadt, in der es abgesehen von Gül Tabas Türbe rein gar nichts zu entdecken gibt... Für meinen Liebsten war das alles überhaupt nicht problematisch: "Ach komm, wir haben doch Urlaub und können machen, was wir wollen - da gibt es doch keinen Zeitplan und keine To-Do-Liste!" Natürlich hatte er Recht, aber es stank mir trotzdem, dass unser Plan nicht aufgegangen war. Und es stank mir, dass mir das so viel ausmachte. Und dass mein Mann mich anscheinend nicht verstand. Es schlich sich (wieder einmal) das Gefühl ein, nicht "richtig" zu sein.

Mai Manó Ház

Immerhin war nun genug Zeit verstrichen, um das Fotografie-Museum besuchen zu können. Mit der Tram ging es zurück nach Pest. In der Nagymező utca 20 empfing uns das Mai Manó Ház mit einem riesigen Banner: "We are open!" Eine Information, die mich hoffnungsvoll stimmte - welche aber doch nicht so ganz der Wahrheit entsprach. Es war halb zwölf und das Museum war geschlossen. Die Tatsache, dass es um 14 Uhr öffnen würde, tröstete mich nicht wirklich. Schon wieder eine verschlossene Tür! Schon wieder ein Plan, der nicht aufging! Wieder war mein Versuch, die Geschehnisse zu kontrollieren, gescheitert. Drama! 

Ich setzte mich auf eine Parkbank und heulte erstmal eine Runde. So hatte ich mir das alles nicht vorgestellt! Und ich ärgerte mich so sehr über mich selbst - warum machte mir das so viel aus? Wieso war (bzw. bin...) ich so unflexibel? Warum klammere ich mich so an meine eigenen Pläne und Vorstellungen? Weshalb bekomme ich es nicht hin, die Dinge hinzunehmen, so wie sie sind, und einfach im Hier und Jetzt zufrieden zu sein?
Falko war zunächst auch ratlos, was nun zu tun sei. Wo sollten wir hin? Wie würde er mich wieder beruhigen können? Da fiel ihm ein Kirchturm auf, der wenige hundert Meter von uns entfernt in den Himmel ragte: Die Avilai Nagy Szent Teréz-Kirche.  "Da gehen wir jetzt rein!" Gesagt, getan. 
Wir saßen eine ganze Weile in einer Kirchenbank und ließen Prunk und Gloria auf uns wirken. 
Ich dachte nicht viel in dieser Zeit, irgendwie konnte ich keinen vernünftigen Gedanken fassen, aber es wurde endlich ruhiger in mir. Unsere Pläne ließ ich los. Gott ist so viel größer! flüsterte es mir aus allen Ecken des reich geschmückten Innenraums entgegen.

Avilai Nagy Szent Teréz-plébániatemplom
Um 12 Uhr wurden die Lichter gelöscht und wir traten wieder ins Freie. Der Blick auf den Stadtplan verriet uns, dass wir uns in der "Elisabethstadt" (Erzsébetváros) befanden - im jüdischen Viertel Budapests. Neben der großen Synagoge gibt es in der Stadt noch einige kleinere Synagogen, und zwei davon befanden sich in unserer unmittelbaren Nähe. Wenigstens von außen wollten wir sie uns ansehen, und ein bisschen durch die Straßen schlendern. Es ist eine besondere Gegend, das jüdische Viertel; ein bisschen kannte ich mich hier noch aus Studienzeiten aus. Viele Szenelokale sind hier anzutreffen, wie zum Beispiel der Szimpla Kert, der wohl berühmteste Ruinen-Pub der Stadt; es gibt koschere Restaurants, Teehäuser und ganz viel Street-Art an den Wänden. 





Mitten in all dem bunten Treiben fanden wir auch Erinnerungsorte an schwere, grausame Zeiten: eine Erinnerungstafel mahnt, die Menschen nicht zu vergessen, die im Budapester Ghetto eingepfercht wurden, um schließlich in Lager deportiert und dort ermordet zu werden. Viel ist nicht mehr übrig vom Ghetto - überhaupt scheinen sich die Ungarn nicht gern an den Holocaust und ihre eigene Verwicklung darin zu erinnern...
Beeindruckend ist die Skultpur, die an Carl Lutz erinnert - einen schweizer Diplomaten, dem es  gemeinsam mit anderen Widerstandskämpfern gelang, etwa 62 000 ungarische Juden zu retten. Dank seines mutigen Handelns überlebte die Hälfte der jüdischen Bevölkerung Budapests, da er sie vor der Deportation bewahrte. Carl Lutz erfuhr Zeit seines Lebens nicht die Anerkennung, die er für seinen Einsatz verdient hätte. Doch wenigstens erfuhren wir von ihm - hier, in einer Ecke des jüdischen Viertels, von ihm: "Wer einen Menschen rettet, rettet die ganze Welt." (Talmud)

Orthodoxe Synagoge in der Kazinczy utca


Rumbach Synagoge in der Rumbach Sebestyén utca


Zur Erinnerung an Carl Lutz

Und endlich fanden wir auch einen ganz tollen Laden, um noch ein paar Geschenke und Souvenirs zu kaufen! Ich war sofort ganz verzaubert von Printa - Galerie, Café und Shop, schräg gegenüber der Rumbach Synagoge in der Rumbach Sebestyén utca 10. Hier bekommt man wunderschöne Budapest-Drucke, aber auch Taschen, Kissen, Klamotten, Schmuck, Postkarten und so weiter. Wunderschöne Sachen haben die da! Wir erstanden zwei handgenähte Tier-Kissen für unsere Kinder und zwei kleine bedruckte Notizbücher für mich. Als wir den Laden wieder verließen, ging es mir wieder richtig gut - von wegen, Shoppen macht mich nicht glücklich ;)





Ein Punkt auf meiner mentalen Das-will-ich-in-Budapest-erleben-Liste stand noch aus: Ein Besuch in der Ruszwurm Cukrászda (Konditorei) auf dem Burgberg. Dort wollten wir unsere allerletzten Forints in Torte umwandeln. Vorher hieß es noch einmal klettern: viele, viele Stufen... Das letzte Stück fuhren wir mit dem schicken neuen Lift an der Burgmauer; den wollte ich doch wenigstens einmal ausprobieren. In der Konditorei ergatterten wir Gott sei Dank einen der raren freien Tische und ließen uns Sacher- und Dobostorte schmecken. (Dobostorte ist übrigens der ungarische "Nationalkuchen": Acht Schichten Biskuit und Schokoladencreme mit Karamellglasur.)





Ruszwurm Cukrászda


Die Türme des Hilton-Hotels und der Matthiaskirche
Langsam wurde es Zeit, den Weg zum Gästehaus anzutreten, unser Gepäck abzuholen und zum Flughafen zu fahren... Ein letztes Mal spazierten wir über den Burgberg, mit dem festen Vorsatz, beim nächsten Besuch unsere Kinder mitzubringen. Die hatten wir doch sehr vermisst in den drei Tagen!
An der Fischerbastei ging es für uns wieder abwärts. Am Fuß der Stufen entdeckten wir noch ein Denkmahl: Einen in die Tiefe stürzenden Jungen. Hier wird an Péter Mansfeld gedacht, der an den Studentenprotesten 1956 teilgenommen hatte und nur elf Tage nach seinem 18. Geburtstag von den Kommunisten erhängt wurde. So ein junges Leben, so sinnlos und grausam beendet...

Und nochmal: Halászbástya
Zur Erinnerung an Péter Mansfeld



Auf der Kettenbrücke überquerten wir zum letzten Mal die Donau und verabschiedeten uns von Buda, dem wunderschönen Panorama und einem ganz besonderen Wochenende.




Der Vollständigkeit halber noch ein paar weitere interessante Orte in Budapest, die wir diesmal leider nicht besuchen konnten:
  • Der Kerepesi temető (Friedhof) im 8. Bezirk (Józsefváros) ist einer meiner Lieblingsorte in der Stadt. Es klingt vielleicht etwas morbide, aber ich bin dort immer sehr gern spazieren gegangen. Hier sind viele prominente Ungarn, Staatsmänner, Dichter und Schauspieler begraben worden - teilweise in wunderschönen Grabmählern und Mausoleen. Und im Gegensatz zum Stadtwäldchen oder dem Park auf der Margaretheninsel ist es hier wirklich ruhig!
  • Das Terror háza (Terrorhaus) in der Andrássy út 60 ist eins der sehenswertesten Museen in Budapest. Es informiert über beide Diktaturen des 20. Jahrhunderts und gedenkt an deren Opfer. Sehr eindrücklich!
  • Es werden Führungen durch das jüdische Viertel (samt Synagogen) angeboten. Beim nächsten Mal möchten wir gern an einer solchen teilnehmen.
  • Im Szépművészeti Múzeum (Museum der bildenden Künste) an Heldenplatz habe ich 2010 eine tolle Klimt-Ausstellung bewundert. Der Eintritt lohnt sich für Kunstinteressierte in jedem Fall.
  • Auch ein Ausflug in die Budai hegyek (Budaer Berge) ist zu empfehlen. Hier kann man wandern oder mit der Gyermekvasút (Kindereisenbahn) fahren. Zurück ins Tal geht's ganz entspannt und mit toller Sicht aufs Parlament mit dem Libegő (Sessellift). Das ist bestimmt vor allem toll, wenn man mit Kindern reist!



Viszontlátásra, Budapest! Wir sehen uns wieder, ganz bestimmt!



Donnerstag, 27. Oktober 2016

Budapest, szerelmem # 2


Tag 2

Unser zweiter Tag in Budapest war ein Sonntag - und der Nationalfeiertag! Daran hatten wir bei unserer Reiseplanung überhaupt nicht gedacht: Am 23. Oktober 1956 nahm der ungarische Volksaufstand gegen die kommunistische Partei und die sowjetische Besatzungsmacht seinen Anfang. Was als friedliche Studentendemonstration begann, endete einige Wochen später blutig - die übermächtige Sowjetarmee fiel in Budapest ein, zehntausende Ungarn wurden interniert und hingerichtet, hunderttausende verließen auf der Flucht vor der Diktatur ihre Heimat. 60 Jahre ist das nun her, aber die Wunden sind noch nicht verheilt. Die Ereignisse im Herbst 1956 sind für die Ungarn, und wohl besonders für die Budapester, noch sehr präsent - unzählige Gedenktafeln, Skulpturen und Mahnmale erinnern in der ganzen Stadt an die Opfer der sowjetischen Unterdrückung. Das Gedenken an die Ereignisse ist sicherlich staatlich gewollt, wird aber auch von der Bevölkerung selbst sehr ernst genommen. Das ganze Jahr über legen die Menschen Blumen, Kränze und Bänder in den Nationalfarben an besonderen Erinnerungsorten nieder und zünden Kerzen für die Ermordeten an.

Wir bekamen von den offiziellen Feierlichkeiten nur so viel mit, dass "unsere" Tramlinie unterbrochen wurde und sämtliche Museen und Sehenswürdigkeiten geschlossen waren. Pech für uns!

Morgens beim Frühstück waren wir jedoch ganz guter Dinge. Im Comic-Café Bonnie in der Károlyi utca (direkt gegenüber dem berühmten Central Kávéház) bekamen wir zu einem günstigen Preis ein sehr leckeres Frühstück: Rührei mit Käse und Gemüse (bzw. Debrecener Wurst) im Tortilla-Fladen. Mmmh, finom! 




Als ersten Programmpunkt hatten wir uns die Besichtigung der großen Synagoge in der Dohány utca vorgenommen. Das atemberaubend schöne Gebäude haben wir bisher immer nur von außen bewundert, und wollten es nun auch einmal von innen sehen. Leider machte uns der Feiertag einen Strich durch die Rechnung - diesmal allerdings nicht der ungarische Nationalfeiertag, sondern ein jüdisches Fastenfest über mehrere Tage... Da hatten wir uns vorher nicht ausreichend informiert. Wirklich schade. "Wir werden wohl noch einmal herkommen müssen", meinte mein Liebster, und da hat er vollkommen recht, finde ich!




Wir blieben nicht lange traurig, sondern holten unsere Schwimmsachen aus dem Gästehaus und fuhren mit der historischen "gelben" Metro (Nr 1) zum Hősök tere (Heldenplatz). An dessen Seiten finden Kunstinteressierte zwei sehr interessante Galerien, aber diese waren am heutigen Tag natürlich geschlossen... Die Burg Vajdahunyad mit dem Stadtwäldchen ließen wir rechts liegen und steuerten direkt auf das Széchenyi-gyógyfürdő (Thermalbad) zu.
Hier ließen wir es uns für die nächsten Stunden gut gehen - lagen träge im 28°C warmen Außenpool herum und planschten in den kleineren Becken mit sehr unterschiedlichen Temperaturen im Gebäude. Wir waren natürlich nicht die einzigen mit dieser Idee gewesen; es wimmelte nur so von Menschen!

Auch wenn ich eigentlich nicht so gern ins Schwimmbad gehe und es nicht mag, mich so knapp bekleidet vor unzähligen Menschen zu zeigen, fand ich diesen Besuch im Thermalbad sehr schön. Ich habe es fast genossen, all die unterschiedlichen Körper und Gesichter zu beobachten - kein Mensch gleicht dem anderen. Gott hat uns alle als Einzelstücke geschaffen: die einen größer, die anderen kleiner, einer stark behaart, ein anderer mit Glatze; die eine kurvig, die andere sportlich, mit roten Locken, blonder Mähne, brünetten Wellen, Stupsnase, Hakennase, Doppelkinn...

Warum lassen wir uns nur so oft einreden, wir wären nicht richtig so, wie wir sind? Warum glauben wir den Lügen, es würde uns glücklicher machen, wenn wir uns verbiegen, an uns "arbeiten", an uns herumschnippeln lassen? Warum versuchen wir so oft, jemandem ähnlich zu werden, der wir nicht sind?
Ich möchte mir das nicht mehr vorschreiben lassen.
Ich möchte mich nicht mehr schlecht fühlen.

Ich will die Person sein, die Gott im Sinn hatte, als er mich schuf.
Einen anderen Körper bekomme ich nicht.
Brauche ich auch nicht!

Am Heldenplatz
Vajdahunyad vára
Vor dem Széchenyi-Thermalbad (nach dem Baden)

Das Mittagessen ließen wir heute ausfallen und gingen lieber gleich zu Kaffee und Kuchen über: Mit der U-Bahn fuhren wir zum Oktogon und kehrten im altehrwürdigen Művész Kávéház ("Künstler-Kaffeehaus") ein. Ein unheimlich schöner Ort! Ich holte natürlich gleich mein Skizzenbuch raus und fing an zu zeichnen... Das habe ich an diesem Wochenende häufig gemacht und es sehr genossen.




Nach dieser kleinen Stärkung wurde es wieder sportlich: Mein Mann hatte sich in den Kopf gesetzt, mit mir den Gellértberg zur Zitadelle hinauf zu wandern.
Also fuhren wir mit der Tram auf die andere Donau-Seite und begannen am Gellért gyógyfürdő (auch ein altes, sehr schönes Thermalbad!) mit dem Aufstieg. Wir wählten die steilste Route, die uns direkt an der Donau entlang führte und uns ein herrliches Panorama über die in der beginnenden Dämmerung liegende Stadt bot.

Der Heilige Stefan mit der Freiheitsbrücke im Hintergrund
das Gellért-Thermalbad
wunderschöner Herbst!





An der Zitadelle angekommen, würdigten wir die "Sankt Sozialista" (so hat mein Liebster die "Freiheitsstatue" genannt) nur eines kurzen Blickes und widmeten uns lieber der Aussicht auf die Stadt, die nun hell und feierlich erleuchtet war. Die Kettenbrücke war mit tausend gelben Lampen geschmückt, das Parlament lag wie eine glänzende Perle am Flussufer, und ich entdeckte unter all den angestrahlten Kirchen auch die am Kálvária tér, in deren Nähe ich während meines Auslandssemesters gewohnt hatte.



Da es nun schon ziemlich dunkel war, knipsten wir nur noch ein paar Fotos und begannen mit dem Abstieg. Wir verließen die ausgetretenen Touristenpfade und wagten uns auf einen einsamen, nicht beleuchteten Waldweg, der uns schließlich durch ein am Berg gelegenes Villenviertel führte. Das muss ein traumhafter Blick sein, der sich den Bewohnern von ihren Fenstern, Terrassen und Balkonen aus bietet...
Wir kamen aber auch noch zu einen tollen Blick auf den Burgberg! Es ist doch immer wieder spannend und lohnenswert, altbekannte Pfade zu verlassen und einfach mal rechts (oder links) abzubiegen. Das taten wir an diesem Abend und entdeckten einen ganz neuen Aussichtspunkt, von dem aus wir die Burg zum ersten Mal nicht von der Donau-Seite, sondern von hinten betrachten konnten.
Unbezahlbar!




Szent Gellért

Über die Erszébet híd (Elisabethbrücke) ging es zurück nach Pest. Dort aßen wir in unserem Lieblingsrestaurant zu Abend und ließen es uns richtig gut gehen: Das Ruben Étterem in der Magyar utca 12-14 ist nämlich nicht nur schick und gemütlich; es gibt dort auch sehr leckeres Essen zu einem erstaunlich guten Preis. Da gönnten wir uns auch noch einen Nachtisch! (Reservierung empfohlen!)
Zum Tagesabschluss wechselten wir noch einmal das Lokal und wandelten die Ráday utca hinunter, in der sich eine Bar an die andere reiht. Hier wird man auf jeden Fall fündig, wenn man in Budapest am Abend essen gehen oder nur eine Kleinigkeit trinken will. Da die Ráday utca etwas abseits der Touristenroute liegt, trifft man hier viele Einheimische an. 

Wir hatten ein konkretes Ziel: Das Café Jedermann im Goethe-Institut Budapest. Hier wird Jazz gespielt und es gibt eine kleine Auswahl an Speisen und Getränken. Ich wollte hauptsächlich aus nostalgischen Gründen her; in meiner Studienzeit waren meine Freundin und ich oft im Jedermann anzutreffen, weil die Kellnerin deutsch sprach (ein Gefühl von Zuhause!), die recht gut bestückte Bibliothek des Goethe-Instituts sich nur ein Stockwerk über uns befand, und der Milchkaffee unschlagbar günstig war. 
Mein Liebster und ich blieben nur auf ein Glas Wein und traten dann den inzwischen wohlvertrauten Heimweg ins Gästehaus an. Müde, voll von Eindrücken und auch ein bisschen wehmütig: Nur noch ein Tag Budapest übrig...