Am Freitagabend ist mir ein Stück meines
linken oberen Schneidezahns abgebrochen. Falko würde sagen, dass es nur ein
wirklich winziges Stück ist und dass er dessen Fehlen ohne meinen Panikanruf
gar nicht bemerkt hätte – aber für mich war das in gewisser Hinsicht ein
Schlüsselerlebnis, und deshalb teile ich es mit euch, obwohl es schon ziemlich
persönlich ist.
Ich war immer stolz auf meine quasi
kariesfreien Zähne und dass die Zahnärzte mich immer lobten, weil sie nie
bohren oder sonst irgendwas machen mussten. Und jetzt das – ein kostbares Stück
Zahn für immer weg. Das hat mich schon gewurmt. Aber der eigentliche Schock
bestand für mich darin, dass ich das Gefühl hatte, schon wieder ein Stück
meiner Schönheit verloren zu haben. Unwiederbringlich.
Meine liebe Freundin Bettina fragte mich bei
unserem letzten Treffen, was für mich die größte Herausforderung während der
Schwangerschaft (gewesen) wäre. So spontan konnte ich ihr darauf keine Antwort
geben, aber jetzt, nach dem Zahn-Erlebnis, denke ich, dass die größte
Herausforderung für mich der Umgang mit den körperlichen Veränderungen ist, die
ich durchlaufen musste. Ja, als Frau (und vielleicht auch als Mann) ist man ja
nie so wirklich mit dem eigenen Körper zufrieden und hat Schwierigkeiten damit,
sich so zu akzeptieren wie man ist. Das war bei mir auch vor der
Schwangerschaft schon so, dass ich mich oft hässlich oder zu dick oder was auch
immer fand. Aber wenn ich jetzt meinen Körper, so wie er vor der Schwangerschaft
war, zurückhaben könnte, würde ich ihn glücklich annehmen und womöglich mit
ganz anderen – positiveren – Augen sehen.
Da hatte ich jedenfalls noch deutlich weniger
Kilos drauf und weder Elefantenfüße (Wassereinlagerungen) noch rötliche
Streifen am Bauch. Die werden zwar mit der Zeit verblassen, aber nie mehr
vollständig verschwinden. Und auch wenn ich nach der Geburt wieder einiges an
Gewicht verlieren werde, so ist die Traumfigur dann in noch weitere Fernen
gerückt.
Es fällt mir nicht leicht, das zuzugeben, aber
ich bin wohl viel eitler als gedacht und Attraktivität ist ein größerer Wert in
meinem Leben als angenommen. Wenn ich die Frage „Was dominiert mein Denken?“
aus dem letzten Blogeintrag ehrlich beantworte, bin ich sogar ziemlich bestürzt
darüber, wie stark mein Denken um mein äußeres Erscheinungsbild – und
insbesondere meine körperliche Mangelhaftigkeit – kreist. Teilweise muss ich
mich sogar überwinden das Haus zu verlassen, weil ich mich so unwohl fühle und
nicht möchte, dass die Leute auf der Straße mich sehen (dabei bin ich denen
herzlich egal). Und wenn ich dann unter Menschen bin, frage ich mich, was die
Leute von mir denken könnten und kann an keinem Schaufenster vorübergehen, ohne
einen prüfenden (und schließlich unzufriedenen) Blick auf meinen Po zu werfen… Ich
hätte nie gedacht, wie wichtig es mir ist, schön und attraktiv zu sein bzw. auf
andere zu wirken. Das wurde mir durch den Verlust des kleinen Zahnstücks
bewusst, und durch all die anderen kleineren und größeren „Verluste“ während
der Schwangerschaft.
Dabei möchte
ich doch gar nicht, dass diese Äußerlichkeiten und das Urteil der Gesellschaft
mein Denken, Fühlen und schließlich Handeln
bestimmen. Ich wünsche mir so sehr frei von diesem Ich-Zwang, von all der
Selbstkritik und Gefallsucht und dem Vergleichen und der Oberflächlichkeit zu
sein! Ich will mich selbst endlich so annehmen können wie ich bin (mit allen
Dehnungsstreifen und Kilos und Muttermalen und Pickelchen) – und dann keinen
Gedanken mehr daran verschwenden, selbstvergessener werden.
Ich will nicht behaupten, dass Gott mir
absichtlich ein Stück Zahn „ausgeschlagen“ hat, um mich auf die richtige Spur
zu bringen. Aber wenn ich ihn bitte, mich zu verändern, dann muss ich schon
auch damit rechnen, dass er einige Lektionen für mich bereit hält und dass
scheinbar zufällige oder kleine Begebenheiten einen gewissen Aha- (und
hoffentlich auch Lern-)Effekt beinhalten können.
Jedenfalls kamen mir beim Nachdenken über die
ganze Thematik zwei Gedanken:
1)
Was mir fehlt, ist definitiv Dankbarkeit und damit die richtige
Perspektive auf meine aktuelle
Situation. Denn wie undankbar und überhaupt völlig merkwürdig ist es, den
momentanen Zustand meines Körpers als „Verfall“ wahrzunehmen. Eine
Schwangerschaft ist doch das komplette Gegenteil von „Verfall“ oder gar
„Verlust“! Mein Körper läuft gerade zur Höchstform auf: Er versorgt zur Zeit zwei Menschen mit allem, was sie
brauchen; er hat ein neues Leben in sich aufgenommen und nun schon 39 Wochen lang
in sich erhalten, geschützt, wachsen und gedeihen lassen; er hat sich an die
neuen Anforderungen angepasst und viele zusätzliche Lasten tragen müssen. Und
bald wird mein Körper das kleine Wesen in mir zur Welt bringen, mit ungeheurer
Kraft und (wie man mir sagte) unter fast unaushaltbaren Schmerzen – um es dann
noch für weitere Monate zu versorgen und zu ernähren… Was für ein großes Wunder
das ist, dieses neue Leben und dass ich es in mir tragen darf – ist mir das
überhaupt bewusst? Dass dieser „Zustand“ nicht spurlos an meinem Körper
vorübergeht, ist irgendwie logisch und vollkommen normal. Wie wäre es, wenn ich
mich einfach mal darüber freue, dass es mir und dem Kind so gut geht, dass mein Körper in der Lage war, das Kind so lange so
gut zu hegen und zu pflegen, anstatt ständig nur auf ihm rumzuhacken?
2)
Was ich außerdem dringend benötige
ist eine neue Sicht auf mich selbst.
Schönheit ist natürlich eine sehr positive Sache, ebenso wie Perfektion – und
ich glaube auch, dass die Sehnsucht danach in uns Menschen angelegt ist. Nicht
umsonst wollen viele kleine Mädchen Prinzessinnen sein und Bücher mit Titeln
wie „Weißt du nicht, wie schön du bist?“ verkaufen sich wie die
sprichwörtlichen warmen Semmeln. Ich möchte dem gern auf die Spur kommen, was
Schönheit eigentlich bedeutet, in Gottes Augen. Das Hohelied feiert die
Schönheit des menschlichen Körpers, der König David wird als attraktiver Mann
beschrieben und auch das himmlische Jerusalem wird strahlen vor Glanz und
Schönheit. Gleichzeitig gibt es Verse, die uns auf die Vergänglichkeit und
Sinnlosigkeit von äußerlicher Schönheit hinweisen: „Euer Schmuck soll nicht
äußerlich sein wie Haarflechten, goldene Ketten oder prächtige Kleider, sondern
der verborgene Mensch des Herzens im unvergänglichen Schmuck des sanften und
stillen Geistes: das ist köstlich vor Gott.“ (1. Petrus 3, 3+4) oder „Lieblich
und schön sein ist nichts; ein Weib, das den Herrn fürchtet, soll man loben.“
(Sprüche 31,30)
Und was sagt mein Streben
nach Vollkommenheit und Fehlerlosigkeit über mich und mein Gottesbild aus,
warum habe ich immer das Gefühl, nicht zu genügen, nicht „richtig“ zu sein, so
wie ich bin? Ich denke, Gott fordert mich heraus, loszulassen: alles das, was
eigentlich nicht wichtig ist. Das winzige Stückchen Zahn ebenso wie meine (hauptsächlich
negativen) Selbstbilder. Dass ich meinen Blick wieder neu auf IHN richte und
mich (wenn ich mich schon begutachten muss) mit
seinen Augen zu sehen lerne.
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