Meine Schwester und ich sitzen bei einem Kaffee zusammen,
lachen, reden, Noemi ist das süßeste und zufriedenste Mädchen der Welt und wird
von allen bewundert, die vorübergehen. Es ist ein milder Spätnachmittag, und
als ich im goldenen Licht nach Hause gehe, denke ich: Ich bin der glücklichste Mensch. Wenig später bereite ich in der
Küche Noemis Abendbrei zu, ein Missgeschick, die Milch spritzt nach allen
Seiten. Mein Kind brüllt. Mein Mann ist noch nicht zu Hause. Der Geduldsfaden
reißt. So ein Scheißtag.
Es ist ein PEKiP-Nachmittag. Die ersten Kinder beginnen
schon mit dem Krabbeln, robben, rollen und hopsen durch den ganzen Raum. Mein
Kind liegt auf dem Rücken und strampelt, hat keine Ambitionen, sich zu den
anderen zu gesellen. Plötzlich fange ich an zu weinen, weil ich mir Sorgen
mache, weil ich mich wie eine Versagerin fühle, weil Mamasein irgendwie nicht
leichter wird, weil Noemi den anderen Kindern hinterherhängt. Minus.
Dann, ein paar kluge Worte von Carola, unserer Kursleiterin.
Schau auf das, was deine Tochter schon
kann, konzentriere dich auf das Positive. Lass sie machen und lobe sie. Es ist
noch kein Kind liegen geblieben. Noemi macht eine ruckartige Drehung auf den
Bauch, ganz ohne Hilfe. Dann greift sie zielstrebig nach dem Glöckchen, das
über ihr baumelt. Und lacht. Ich bin stolz und beruhigt. Plus.
Gestern fiel mir auf, dass ich in meinem Leben nicht nur
Schwierigkeiten mit einem überrepräsentierten Konjunktiv habe, sondern auch mit
einem kleinen Wörtchen, das oft in Verbindung damit verwendet wird. Die Rede
ist von „aber“. Noemi greift schon nach
zwei Ringen, aber den einen lässt sie gleich wieder los. Ich sollte den Laptop
jetzt mal ausschalten und mich zu 100% auf mein Kind konzentrieren, aber
irgendwie bin ich zu müde. Es ist so
ein wunderschöner Sonnentag, aber ich kann mich nicht freuen. Gottes Liebe ist es, die mich rettet, aber
ich muss mich anstrengen um ihrer würdig zu sein. Dieses ABER ist wie ein
negatives Vorzeichen, ein gigantisches Minus, das alles Gute und Wertvolle in
meinem Leben sofort relativiert, abwertet, halbiert – mindestens. Ein ABER
lässt das, was zuvor gesagt wurde, in einem völlig anderen Licht erscheinen –
um nicht zu sagen: ABER knipst das Licht aus. Es tut mir leid, aber… Du bist echt nett und so, aber… Das Essen war
lecker, aber…
Mir kam sogar der Gedanke, dass im ABER oftmals der Teufel
steckt. Selber etwas erschaffen kann er nicht, er kann uns jedoch die gute
Schöpfung Gottes, seine guten Gaben miesmachen, mit einem ABER fegt er sie
einfach vom Tisch. Lässt uns missmutig und undankbar zurück.
Ich möchte kein ABER mehr in meinem Leben, kein Minus und
auch keinen Konjunktiv. Ich will ein lautes JA mit Punkt dahinter oder am
besten Ausrufezeichen, ein Plus vor allem und jedem, auch vor den blöden
Sachen, ich will das Hier und das Jetzt. Ich wünsche mir, dass der Heilige
Geist in mir den Rotstift ansetzt und alle „abers“ und Konjunktive streicht,
dass er Fragezeichen durch !!! ersetzt, dass er aus den Minus-Strichen lauter
Plus-Kreuze macht, und dann noch alles mit Herzchen verziert. Dass er endlich
aufräumt in mir, so dass seine Stimme wieder zu mir durchdringt, so dass ich
Jesus endlich wieder sehen kann.
Auf Jesus sehen. Jeden Bereich meines Lebens vom Heiligen
Geist bestimmen lassen – also ganz besonders mein Denken. Gott hat mich auf
diese Spur gebracht, hat sich zu mir heruntergebeugt und gesagt: Komm, meine
Liebe, wir fangen mal ganz von vorne an. Ich habe den Galater-Brief gelesen
(nicht zum ersten Mal, aber irgendwie schon) und endlich kapiert: Das ABER darf
ich getrost weglassen, ich MUSS es sogar streichen, um das Evangelium wirklich zu begreifen!
Wann immer es darum ging, dass wir allein durch Glauben,
allein durch Gottes Gnade gerettet werden können, stimmte ich dem nur teilweise
zu. Zuerst kommt die Gnade, klar, ohne eigene Leistungen, sicher, als Geschenk.
ABER dann wird von uns als Gegenleistung erwartet, dass wir uns bemühen, nicht
mehr zu sündigen, dafür selbstlos zu lieben und und und. All die Jahre habe ich
in dem Denken gelebt, dass die Gnade allein nicht reicht. Dass die Gnade nur
einmal im Leben gilt, in dem Augenblick, in dem man sich „bekehrt“, und dass
danach die Arbeit beginnt, die eigene Anstrengung und Leistung.
Und dann lese ich zum ersten Mal wirklich diese Worte: „Darum
haben auch wir unser Vertrauen auf Jesus Christus gesetzt, denn wir möchten vor
Gott bestehen können, und das ist nur auf Grundlage des Glaubens an Christus
möglich, nicht auf der Grundlage der Gesetzerfüllung. […] Ich weise Gottes
Gnade also nicht zurück, denn das Gesetz kann uns nicht dazu verhelfen, vor
Gott gerecht dazustehen. Wäre es anders, dann hätte Christus nicht sterben
müssen. […] In der Kraft des Heiligen Geists habt ihr begonnen, und jetzt wollt
ihr aus eigener Kraft das Ziel erreichen? Seid ihr wirklich so unverständig?
[…] Wenn ihr versucht, mit Hilfe des Gesetzes vor Gott gerecht dazustehen, habt
ihr euch aus der Verbindung mit Christus gelöst, und euer Leben steht nicht
mehr unter der Gnade.“ Auch das, was
Paulus an die Römer schreibt: „Denn wir gehen davon aus, dass man aufgrund des
Glaubens für gerecht erklärt wird, und zwar unabhängig von Leistungen, wie das
Gesetz sie fordert. […] So kann sich nun in unserem Leben die Gerechtigkeit
verwirklichen, die das Gesetz fordert, und zwar dadurch, dass wir uns vom Geist
Gottes bestimmen lassen und nicht mehr von unserer eigenen Natur.“ So einfach streicht Gott das dicke ABER in meinem Kopf. Aus Minus mach Plus – und die Gleichung geht auf. War „nur“ ein Vorzeichenfehler…
Beim Spaziergang heute habe ich mal versucht, diesen
Vorzeichenwechsel praktisch umzusetzen. Mir ist nämlich bewusst geworden, dass
mein Denken wohl der Bereich ist, den ich Gott bisher am wenigsten unterstellt
habe. Meine Gedanken treiben immer ziemlich ungesteuert irgendwohin, meistens
ins Negative – so auch heute beim Spaziergang. Ich stellte fest, wie meine
Gedanken sich nur noch um mich selbst kreisten, um mein eigenes Versagen, um
meine Sorgen und enttäuschten Erwartungen. Und dass diese Gedanken Gott nicht
die Ehre gaben, im Gegenteil. Also versuchte ich, die Augen meiner Seele auf
Jesus zu richten, indem ich die Bibelverse wiederholte, die Ulrike und ich (im
Rahmen dieses Projektes) bereits auswendig gelernt hatten. Immerhin schon
viereinhalb. Das war gut!
Meine Gedanken sind noch nicht an ihren neuen Herrn gewöhnt
und rissen häufiger aus (jetzt wollte ich
schon fast mit „aber“ fortfahren, pfui, böses Wort! – Ich mache einfach einen
Punkt. So.). Ich werde es lernen. Und weiß jetzt, dass es darauf nicht
ankommt. Dass ich nicht machen muss.
Ja, Gott, ich schätze, ich will mich einfach von dir lieben
lassen. Ohne Wenn und Aber.