Dienstag, 19. Mai 2015

Emotionen eines Umzugs 2



Da sitze ich hier, auf unserer neuen Couch, und kann nicht anders. Es gäbe noch so viel zu tun, aber ich brauche das Schreiben jetzt. Das Chaos muss für einen Augenblick auf mich verzichten.
Wir sind angekommen in der neuen Bleibe. Inzwischen sind auch Spül- und Waschmaschine angeschlossen, und ich habe unzählige Kartons ausgepackt. Die allermeisten Möbel sind aufgebaut, die Küche eingeräumt, ein kleines bisschen Deko steht herum. Heute waren wir zum zweiten Mal auf dem Spielplatz direkt hinterm Haus und Noemi bekam auf der großen Rutsche dann doch ein bisschen Angst. Da kamen ihr die älteren Jungs zur Hilfe, total süß. Ein Lichtblickmoment.
Man sollte meinen, alles ist gut.
Vielleicht ist es das auch, obwohl es sich gerade nicht so anfühlt…

Völlegefühl
Schon beim Packen hatte ich dieses Gefühl, und jetzt beim Auspacken kommt es ein zweites Mal hoch: Wir haben so viele Sachen! Natürlich, als Familie braucht man auch einiges, und wir sind immerhin vier Personen – und trotzdem, so viele Dinge sind vermutlich überflüssig. Eigentlich habe ich immer gedacht, mit wenig leben zu können und nicht besonders viel zu besitzen – 80 vollgepackte Umzugskartons und zwei Umzugswagen sprechen eine andere Sprache…
Einiges habe ich ausgemistet, und manches miste ich jetzt noch aus, aber dieses Das-ist-mir-alles-Zuviel bleibt. Ich möchte Wege finden, mein Leben zu "entschlacken" - auch meinen Besitz.

Zufriedenheit
Es wird langsam gemütlich bei uns, und das habe zum großen Teil ich geschafft! Die Möbel, die wir neu angeschafft haben, sind genau mein Stil und passen gut zu uns. Die Farben an den Wänden sind wunderschön. Alles harmoniert. Das hier ist unser Nest, hoch oben, wo die Vögel gern zu Besuch kommen.

Abschiedsschmerz
Ich habe keine Träne verdrückt, als wir mit Kind und Kegel unsere alte Straße verließen. Das lag aber nur daran, dass ich auch da noch zu beschäftigt war mit allem anderen. Scheiden tut weh, definitiv. Ich vermisse unsere Nachbarn, die Bäume vor dem Haus, die gerade erst grün geworden sind, die vielen Spielplätze in Laufnähe. Mir fehlt das Rieseneinkaufszentrum, gegen dessen Bau ich zunächst noch ganz vehement war, und der DM darin. Es fällt mir schwer, den Kinderarzt zu wechseln, meine liebgewordenen (und ausgetretenen…) Pfade zu verlassen, Routinen aufzugeben (sogar die ätzenden…). Ich vermisse die Fahrradladenfrau, die mir immer lieb zugenickt hat, wenn ich mit den Kindern am Laden vorbeiging, und meine Freundin, die direkt um die Ecke wohnte und mit der ich oft kleine Straßen-Balkon-Pläusche hielt.

Fremdheit, Verlorenheit
Wir haben den Wohnort innerhalb Berlins gewechselt – das hier ist also immer noch Berlin! Und doch ist es eine völlig neue Welt. Hier bin ich umgeben von fremden Gesichtern, keines ist mir vertraut. Auf dem Spielplatz sitzen die anderen Mamas in Gruppen, und ich gehöre nicht dazu. Diese ganze Wohnanlage scheint eine eingeschworene Gemeinschaft zu sein – wir sind die Neulinge. Das fühlt sich nicht gut an, die Fremde zu sein… Wie soll ich mich verhalten? Muss ich die Leute grüßen? Was denken die über mich? Warum sind meine Kinder die einzigen, die Mützen tragen (schließlich windet es, und sie sind erkältet….)? Werde ich jemals dazugehören – und möchte ich das überhaupt?

Einsamkeit
Sie ist meine Begleiterin, lange schon. Mal haben wir mehr miteinander zu tun, mal weniger. Seit ich ein Kind habe, und jetzt zwei, sind wir näher zusammengerückt. Denn Freundschaften „funktionieren“ nicht mehr so einfach wie früher. Die Ehe auch nicht. Allein bin ich nie. Aber das ist wohl Teil des Problems. Ich wäre gern mehr für mich – und mehr in Gemeinschaft, mit meinem Mann, meiner Familie, meinen Freunden.
Gerade fühle ich mich völlig von allem abgeschnitten. Falko fährt morgens zur Arbeit und abends in die alte Wohnung zum Weißen. Und ich bin hier in einer für mich völlig fremden Umgebung, im Umzugschaos, verantwortlich für zwei ziemlich ignorante kleine Wesen. Manchmal will ich einfach nur weglaufen…

Heute ende ich nicht mit der Dankbarkeit. Das wäre nicht ehrlich. 
Die Wahrheit ist: Ich bin traurig. Ich fühle mich allein. Ich sehe nichts Gutes daran.


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