Freitag, 11. September 2015

Stand der Dinge





Stand der Dinge – Augenringe? Ja, irgendwie schon. Die letzten Wochen waren (und sind) ziemlich anstrengend: Falko ist diesen Monat einige Tage berufsmäßig unterwegs, Samuel wacht nachts alle zwei Stunden auf und findet schwer zurück in den Schlaf und seine große Schwester verarbeitet den Kita-Start mit Hilfe heftigster Tobsuchtsanfälle (unter anderem beim Abholen von der Kita und vor dem Schlafengehen). Den Haushalt lasse ich gerade mal wieder ein bisschen schleifen, weil ich einfach nur müde und erschöpft bin.
Und trotzdem – es geht mir gut und ich bin sehr, sehr dankbar. Komisch eigentlich.

Es ist zwar erst September, aber ich denke zur Zeit schon recht viel an Weihnachten und daran, dass auch dieses Jahr bald zu Ende geht; ein Jahr, für das ich mir ja ein paar Dinge vorgenommen hatte. Erinnert ihr euch an meine Liste 15 für 2015? Den aktuellen Jahreszeitenwechsel möchte ich diesmal zum Anlass nehmen, Zwischenbilanz zu ziehen und mich neu auf das zu fokussieren, was ich gern erreichen möchte, bis der Kalender 2016 anzeigt (das wird auch ein spannendes Jahr – ich werde 30!!!).

1. Noch ein Baby bekommen. In das Leben zu viert starten. Noemi helfen, große Schwester zu werden. Den Alltag meistern, so entspannt wie möglich.
Check! Samuel ist inzwischen fast acht Monate alt und richtig gut in unserer Familie angekommen. Wir sind unendlich froh, ihn zu haben. Ok, er könnte nachts mal durchschlafen und es wäre auch schön, wenn die Spuckerei  endlich aufhörte… aber das ist eigentlich auch alles, was ich Schlechtes über unser jüngstes Familienmitglied sagen kann. Er ist gesund und fit und süß und lieb und unheimlich witzig. Abgesehen von ein paar leicht brutalen Machtdemonstrationen zwischendurch geht Noemi sehr liebevoll mit ihrem Bruder um, und es ist Mama-Glück pur, die beiden zusammen zu beobachten. Und ich – oh Wunder! – meistere den Alltag. Überwinde die alltäglichen Herausforderungen inzwischen ziemlich gut, und das normalerweise allein. Was sicherlich auch daran liegt, dass unsere Kinder grundsätzlich kooperativ sind und immer gut mitmachen, wenn’s drauf ankommt. Gott sei Dank!

2. Schreiben. Jeden Tag – sei es auch nur ein Wort. Meinen Blog pflegen – möglichst jede Woche einen Eintrag. Mein Buchprojekt beenden und einschicken.  
Check! Das mit den regelmäßigen Blogeinträgen erlebt ihr ja selber ;) Es gibt Phasen, in denen schreibe ich mehr und dann schreibe ich auch wieder weniger – und manchmal schreibe ich nur noch für den Blog, das ist dann nicht so gut. Aber ich bleibe dran und genieße es total. Schreiben ist mein Ausgleich. Meine Medizin, meine Therapie, meine Freundin, mein Gebet, meine Freude.


 
      3. Stricken: Das Zopfmuster lernen.
Wie gut, dass der Herbst da ist! Dann kann ich meine Stricknadeln rausholen und loslegen. Das Zopfmuster steht noch aus.
 
 4. Eine neue Bleibe finden und darin ankommen. Nachbarschaftliche Bande knüpfen.
Half-check. Und so viele Gründe zum Danken: Unsere neue Wohnung ist so schön und wir fühlen uns alle sehr, sehr wohl hier. Wir haben so viel Platz – ganz neue Möglichkeiten, Gäste zu beherbergen, Partys zu feiern – oder sich mal zurückzuziehen.
Was allerdings das Ankommen im neuen Bezirk und der Hausgemeinschaft angeht, hinken wir noch etwas zurück. Ich vermisse unseren „alten“ Bezirk sehr und fühle mich hier, am neuen Ort, oft fremd und irgendwie… anders. Hier im Haus sind mir zwar bisher nur freundliche und hilfsbereite Menschen begegnet, gleichzeitig ist mir bewusst, dass es auch problematische Mieter gibt: Müll und Uringeruch im Aufzug, Beschwerden am schwarzen Brett über laute Gelage und brennende Zigaretten, die auf fremde Balkone geworfen werden, auch Zigaretten im Sandkasten und Babys, die Fanta aus der Dose zu Trinken bekommen, Streitigkeiten, die ich am Rande mitkriege.
Wir haben es immer noch nicht hinbekommen, unseren unmittelbaren Nachbarn Kuchen vorbeizubringen und uns vorzustellen. Wir haben auch noch niemanden eingeladen, obwohl wir das von Anfang an vorhatten. Ich stelle bei mir die Tendenz fest, mich als etwas Besseres zu fühlen, Vorurteile zu hegen. Da war es total gut, dass mir eine Freundin bei der Einweihungsparty sagte: „Hier habt ihr die Möglichkeit, Salz und Licht zu sein.“ Ja, das stimmt! Und ich denke immer mehr darüber nach, wie das konkret aussehen könnte.

5. Feiern: Thanksgiving mit Truthahn und vielen Gästen an unserem großen Esstisch.
Ok, da ich hab eine gute Ausrede: Thanksgiving kommt erst noch!
Trotzdem, Gastfreundschaft und Feiern sind uns wichtig und wir machen kleine Mini-Schritte in diese Richtung.

6. Zurück zum Vor-Noemi-Gewicht.
Ähem. Weiß nicht, ob ich das dieses Jahr noch schaffe. ABER ich habe diese Woche festgestellt, dass mir Vor-Noemi-Hosen wieder passen! Ich finde, das zählt auch irgendwie…

7. Danken:  Mich auf das Gute in meinem Leben besinnen, auf all das unverdiente, geschenkte Glück; mich nicht über Mangel oder Defizite definieren. Dank kultivieren. Liebe weitergeben.
Wenn ich auf die vergangenen Monate zurückschaue, sehe ich, dass Gott in diesem Bereich an meinem Herzen gearbeitet hat. Ich bin zufriedener als ich es vor einem Jahr um diese Zeit war, dankbarer, mehr im Hier und Jetzt, glücklicher. Und ich glaube, dass ich mich auch etwas seltener beklage. Auch dafür bin ich wiederum dankbar. Ja, auch die Dankbarkeit nehme ich dankbar aus Gottes Hand.

8. Bibellesen: Einen Modus finden, der zu mir und meinem Alltag passt. Regelmäßig lesen – allein, mit Falko, mit den Kindern, in einem Hauskreis.
Seit fast zwei Wochen lese ich wieder jeden Morgen in der Bibel. Wenn ich aus dem Bad komme und die Kinder noch schlafen (beziehungsweise in ihren Betten liegen…), setze ich mich auf die Couch und lese einen Abschnitt oder ein Kapitel. Angefangen habe ich mit dem Epheserbrief, heute habe ich Philipper beendet. Die ersten Tage waren es nur die Bibel und ich, ich verzichtete auf Unterstreichungen oder Notizen (wie sie sonst meine Art sind), und Gott sprach einfach so zu mir, ganz eindrücklich, durch sein Wort. Gestern habe ich dann doch begonnen, mir etwas aufzuschreiben, weil ich Gottes Reden irgendwie bewahren, nicht vergessen wollte. Es gibt immer wieder Durststrecken, in denen ich von solchen notierten Gottesbegegnungen sehr profitiere.
Für den Moment bin ich sehr glücklich mit dieser Herangehensweise und solange die Kinder es mir ermöglichen, möchte ich so weitermachen.
Neu ausprobiert habe ich das Bible Art Journaling und war sehr begeistert davon. Es erscheint mir fast „ungeistlich“ zu schreiben, es habe mir „Spaß gemacht“ (Überreste meiner familiären Prägung…), aber so war es! Dafür braucht man allerdings etwas mehr Zeit und Ruhe, sodass ich es nicht so leicht zwischendurch einschieben kann.
Und einen Hauskreis starten wir auch ganz bald, mit einigen Jugendlichen aus unserer Gemeinde. Darauf bin ich schon total gespannt und freue mich total – mit jungen Leuten in der Bibel lesen, den vertrauten Worten mit einem frischen Blick begegnen und Gemeinschaft haben. Das wird gut.

9. Ehe: Unsere Eheabende wieder neu beleben und kultivieren, so wie es jetzt gerade für uns passt.
Unsere Abende werden allmählich ruhiger und wir haben wieder mehr Zeit für uns als Paar. Mit einem kleinen Säugling ist das mit den Eheabenden ja immer so eine Sache… nun schläft unser Kleiner aber immer früher und wir können eigentlich wieder mit den Eheabenden starten. Ich bin froh, dass meine 15-für-2015-Liste mich wieder daran erinnert hat!

10. Zuhören: Wirklich für andere da sein, eigene Bedürfnisse hinten anstellen, Gesprächspartner ausreden lassen, geduldig hören.
Ok, ich glaube, darin bin ich immer noch ziemlich schlecht… Aber ich möchte das üben und immer besser lernen.

11. Mein Rezeptbuch überarbeiten und als Ordner neu anlegen (mit neuen Kategorien und so, dass neue Rezepte leicht aufgenommen werden können)
Check! Die Ordner-Version hat sich auf jeden Fall bewährt und ich habe schon einige neue Rezepte aufgenommen.

12. Mama-Connections suchen, finden und gestalten: Zeit zusammen verbringen, sich gegenseitig entlasten, ermutigen statt beurteilen oder kritisieren
Noch so eine Baustelle, an der sich praktisch nichts getan hat. In unserem neuen Bezirk gibt es leider nicht so viele (schöne) Spielplätze wie in unserer alten Gegend, und wenn man mal auf den Spielplatz geht, trifft man dort kaum andere Kinder und deren Eltern an. Hier haben viele Leute einen eigenen Garten und gehen dann nicht unbedingt auf öffentliche Spielplätze. Auf diese Weise kann ich also keine neuen Bekanntschaften knüpfen.
Dafür ist Noemi jetzt in der Kita und es gibt Berührungspunkte mit anderen Eltern. Bisher hat sich da noch nichts weiter ergeben, aber das wird vielleicht noch, wenn die Kinder etwas größer sind und sich nachmittags zum Spielen verabreden.
Mein Plan war eigentlich, mich mit Samuel einer Spielgruppe anzuschließen, aber meine Vormittage waren in letzter Zeit so gut gefüllt (und ich war so müde), dass ich in der Richtung bisher noch nichts unternommen habe. Auch hier im Haus gibt es eigentlich viele Kinder und viele Mamas, aber auch da ist noch nichts passiert…
Ich weiß, Kontakte und Freundschaften „passieren“ nicht unbedingt. Sicherlich müsste ich aktiver werden und mehr auf andere zugehen. Das fällt mir jedoch ziemlich schwer, immer noch.

13. Wut: Einen positiven Umgang mit meinen Gefühlen finden, besonders mit der Wut. Selbstbeherrschung. Selbst-Empathie. Meine Wut ist nicht mein Diktator.
Es gibt nach wie vor Wut in meinem Leben. Aber deutlich weniger, und die Wut ist nicht mehr so heiß, nicht mehr so übermächtig, nicht mehr so überwältigend und so plötzlich. In der Umzugsphase hatte ich sehr stark damit zu kämpfen und fühlte mich oft wie ein einziges Nervenbündel. Manchmal hätte ich am liebsten die Einrichtung zerkloppt, manches Mal schrie ich in ein Kissen, weil ich so verzweifelt, so frustriert, so unglücklich war. Und ich hasste mich dafür. Ich war so, wie ich niemals sein wollte.
Wenn ich mich jetzt selbst beobachte, wie ich auf stressige Situationen oder bockige bzw. nicht-schlafen-wollende Kinder reagiere, bin ich tatsächlich überrascht, dass ich nicht mehr ausflippe. Es gibt zwar immer noch Momente, in denen ich laut werde, aber ich verliere nicht mehr die Kontrolle. Ich bin stabiler und verlässlicher geworden. Ich kann auch besser damit umgehen, wenn mein Mann später von der Arbeit kommt oder zwei Tage verreist und ich mit den Kindern allein bin. Noch vor ein paar Wochen machten mir solche Situationen Angst, heute ist es nicht mehr so.
Sicherlich hat das alles damit zu tun, dass unser Leben sich entspannt hat. Wir sind in der Wohnung gut angekommen, Noemi geht vormittags in die Kita, ich habe wieder mehr Zeit für mich und meine Projekte. Das tut mir sicherlich gut und trägt dazu bei, dass ich mehr abkann. Aber das wird als alleinige Erklärung nicht ausreichen. Nein, ich bin davon überzeugt, dass Gott auch hier an mir gearbeitet hat und weiter arbeitet. Dass meine Wut geschrumpft ist, hängt mit der Dankbarkeit zusammen, die ich nun stärker empfinde. Außerdem hat Gott mir das Bild von meinem Kanaan gegeben, meinem verheißenen Land, was mir sehr hilft. Ich bin zur Zeit sehr, sehr glücklich als Mama und Hausfrau – aber dazu weiter unten mehr.

14. Kreativität: Linolschnitt ausprobieren. Mal wieder ein großes Bild malen. Zeichnen. Karten gestalten. Fotografieren. 
Ach stimmt, der Linolschnitt! Der steht für dieses Jahr noch aus. Vielleicht wäre das die richtige Technik für die diesjährigen Weihnachtskarten… Insgesamt betätige ich mich wieder mehr kreativ und habe auch Lust bekommen, dies gemeinsam mit meiner Tochter zu tun. Sie kommt immer mehr in das Alter, in dem sie das kann, sie wird motorisch geschickter und kann sich länger auf eine Beschäftigung konzentrieren. Kreative Aktivitäten sind für mich ein wichtiger Ausgleich und ich bin immer wieder begeistert, welche Möglichkeiten Gott uns geschenkt hat, uns gestalterisch und schöpferisch auszutoben!

15. Ich bin nicht „nur“ Mutter! Lernen, diese Lebensphase anzunehmen und zu genießen, das Privileg des Mutter-seins wertschätzen und auskosten. Kinder, Familie und Haushalt als meine Aufgabe akzeptieren und kreativ angehen, ganz entspannt, präsent und mit Humor.
Ganz oben habe ich es schon erwähnt – tagsüber fordert mich gerade meine Tochter sehr und nachts lässt mich mein Sohn nicht schlafen. Und doch bin ich dankbar, zufrieden und glücklich. Und das allein ist für mich ein großes Geschenk, ein Wunder geradezu!
Denn ich habe schon Tage erlebt, an denen manches besser lief und ich trotzdem unglücklich war. Und verrückterweise finde ich das Leben mit zwei Kindern schöner (und einfacher) als mit einem Kind. Ich entdecke in mir selbst den Wunsch, noch ein bisschen länger mit den Kindern zu Hause zu sein, anstatt mich sofort nach Samuels Kita-Eingewöhnung ins Arbeitsleben zu stürzen. Ich lerne die Zeit mit den Kindern, unseren Tagesrhythmus, das Zuhause-Sein immer mehr zu schätzen. Mein Gefühl für die Kinder intensiviert sich – ich verstehe sie immer tiefer, fühle mit ihnen, kann besser auf sie eingehen, ihnen helfen. Es fällt mir leichter, meine eigenen Bedürfnisse hintenanzustellen – ja, tatsächlich! Wenn Samuel sein Mittagessen ausspuckt und mit den Händen auf dem Boden verstreicht (er hat jetzt einen ganz schönen Aktionsradius und manchmal bemerke ich es zu spät…), dann mache ich wieder sauber und die Sache hat sich damit erledigt. Wenn ich nachts mit ihm durchs kalte Wohnzimmer tigere, verspüre ich nur noch Müdigkeit und keine Wut oder Verzweiflung mehr. Wenn Noemi einen Wutanfall bekommt, suche ich die Schuld nicht mehr bei mir. Ich kann ihre Wut besser ertragen. Ich kann die Dinge leichter so nehmen, wie sie sind, und einfach weitermachen.
Wenn ich auf die Monate seit der Geburt meines Sohnes zurückblicke, bin ich unendlich dankbar für all das Wachstum, das Gott geschenkt hat – meinen Kindern, uns als Familie und mir. Ich bin dankbar für seinen Reichtum, seine Gnade, seine Liebe, mit der er uns Tag für Tag aufs Neue überschüttet. Unverdienterweise. Und ohne zu Knausern.

Früher habe ich nicht verstanden, was die Leute damit meinten, wenn sie sagten, dass es ein „Abenteuer“ ist, mit Jesus unterwegs zu sein. Darunter konnte ich mir nichts vorstellen. Auch jetzt ist mein Leben nicht unbedingt abenteuerlich im Sinne von gefährlich/exotisch/außergewöhnlich. Aber es ist trotzdem spannend und es passieren Dinge – kleine Dinge, wie Erdbeeren im September oder dass mein Sohn sich quer durchs Zimmer kullert oder dass meine Tochter sich nach einem Wutanfall minutenlang an mich kuschelt oder dass mein Mann und ich uns immer wieder neu füreinander entscheiden... Wachstum passiert. Wunder geschehen. Und ich sage DANKE.

2 Kommentare:

  1. Liebe Rebekka,
    an dieser Stelle dir einfach mal wieder ein Dankeschön für deine Zeilen, für deine Ehrlichkeit, für deine Gedanken die du teilst. Ich bin oft nur eine stille Leserin, aber ich freue mich, dass du an TOP 2 auf deiner Liste ganz gut arbeitest ;) Danke für al deine Ehrlichkeit, die geteilten Gedanken, den geteilten Frust, die geteilte Freude, deine aufrichtige Ehrlichkeit und die manchmal inspirierenden Anregungen, die dein Blog bietet.
    Ich wünsche dir viel Kraft und Segen für alle kleinen und großen Herausforderungen des Alltags - und dass dir neben all der Reflexion manchmal auch einfach dein Herz erzählen kann, was für eine wunderbare Frau du bist - das schimmert durch deinen Blog durch, und das bist du so viel mehr noch in den liebenden Augen deines himmlischen Vaters!
    Liebe Grüße sendet theedee

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    1. Liebe Theedee, ich danke DIR! Danke für deine ermutigenden und wohltuenden Worte, sie haben mir sehr gut getan.
      Es freut mich, dass du immer noch dabei bist :)
      Ganz liebe Grüße zurück, unser Vater im Himmel segne dich!

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