Dienstag, 1. September 2015

Raus aus dem Sumpf



Wir standen an der Straße und warteten auf den Bus, Samuel und ich. Mein Sohn lag im Kinderwagen und war so unendlich süß, gluckste, lachte und himmelte mich an, als sei ich eine strahlend schöne Königin, der wundervollste Mensch auf der Welt (okay, für ihn bin ich das wohl tatsächlich…). Währenddessen versank ich, anstatt mich meinem Kind zu widmen, mit meinen Gedanken mal wieder tief und tiefer im „Ich-bin-so-hässlich-und-fett“-Sumpf. Mit diesem Gefühl war ich heute schon aufgewacht, und endlich fand ich Zeit, mich den Komplexen hemmungslos hinzugeben… bis mir irgendwann bewusst wurde, was gerade passierte. Samuel tat gerade alles, um mir ein Lächeln abzuringen, er versuchte wirklich, mich glücklich zu machen, aber ich reagierte überhaupt nicht darauf. Ich war mal wieder in mir selbst gefangen. Ja, Egoismus ist ein Gefängnis. Selbstmitleid auch.
Als mir mein altbekanntes Muster schließlich bewusst wurde, ging ich in Phase 2 über und überlegte, was ich tun könnte, um aus dem Gefühlssumpf herauszukommen. Mir fiel das Buch zur Selbstführung von Thomas Härry ein, das ich gerade lese. Er schreibt, dass Selbstführung vor allem bedeutet, die Verantwortung für das eigene Leben zu übernehmen – Verantwortung für meine Gefühle, für meinen Umgang mit Schwierigkeiten, für meine Entwicklung. In diesem Moment an der Bushaltestelle wurde mir klar, dass ich nicht so bleiben möchte, wie ich bin. Ich möchte nicht in Selbstmitleid, in Komplexen und in meiner Selbstfixierung steckenbleiben. Ich weiß, dass ich die Verantwortung dafür habe, wenn sich etwas ich mich ändern soll.
So zählte ich Dinge auf, die ich an mir schön finde: Meine Augen. Meinen Mund. Meine Arme. Meine Finger. Ich versuchte, mich daran zu erinnern, wie Gott mich sieht. Sagte mir selbst, dass ich wunderbar gemacht bin. Es gibt da dieses tolle Kinderlied („Gott hat alles gemacht, wunderbar ausgedacht… Er hat mich auch gemacht, hat dabei auch gelacht…“), das spielte ich kurz im Kopf ab. Es wurde etwas besser. Ich schaute mein Kind an mit seinem unendlich charmanten zahnlosen Grinsen und ließ mich berühren von seinem liebevollen Blick.

Wenn es mir nicht gut geht, tendiere ich dazu, Süßigkeiten zu essen. Eine ganze Tafel Schokolade oder so. Ich habe aber auch bemerkt, dass ich das tue, wenn ich tatsächlich hungrig bin. Also versuchte ich, heute mal bewusst auf mich zu achten. Wie würde ich mit einer lieben Freundin umgehen, wenn sie hungrig, müde und traurig bei mir zu Hause ankäme? Ich würde sie kaum herumscheuchen, runtermachen und bis zur Übelkeitsgrenze mit Schokolade vollstopfen… Also setzte ich mich zu Hause erst einmal hin, ließ die Einkäufe stehen, und gönnte mir eine Handvoll Heidelbeeren mit Joghurt. Am Nachmittag legte ich eine kreative  Pause ein und klebte Fotos von der Einweihungsparty in unser Familienbuch.

Und dann tat ich endlich das, was der Heilige Geist mir schon seit längerer Zeit „verschrieben“ hatte: Ich holte meine neue Studienbibel mit breitem Schreibrand aus dem Regal, legte Stifte, Stempel und Masking Tape (ich liebe das Zeug!) bereit, schlug den Epheserbrief auf und legte los – Bible Art Journaling, mein allererster Versuch:



Für heute nahm ich mir das erste Kapitel vor und las die Verse laut vor. Für mich entfaltet Gottes Wort seine Wirkung auf besondere Weise, wenn ich es laut lese, ganz besonders in der englischen Sprache. In der English Standard Version klang der mir eigentlich recht vertraute Text aufregend neu. Schon beim ersten Lesen fiel mir auf, wie häufig in den ersten 14 Versen von Gottes Willen die Rede ist. Ich markierte alle entsprechenden Formulierungen: the will of God, he chose us, predestined, according to the purpose of his will, the mystery of his will, his purpose, a plan for the fullness of time, predestined according to the purpose of him, the counsel of his will. Das hatte ich zuvor noch nie bemerkt: Noch bevor Gott diese Erde schuf, hatte er schon einen genauen Plan – einen guten Plan, in dem sogar ich vorkam und alle anderen Menschen, die Jesus nachfolgen. Gottes Willen sah von Anfang an Gutes für mich vor: 

“He chose us in him before the foundation of the world, that we should be holy and blameless before him. In love he predestined us for adoption as sons [and daughters] through Jesus Christ”

Wir dürfen Gottes Kinder sein. Er hält ein reiches Erbe für uns bereit, zu dem wir im Heiligen Geist schon jetzt und hier Zugang haben.
Mir wurde heute zum ersten Mal bewusst, dass in Gottes „Es werde…!“ am ersten Schöpfungstag bereits sein ganzer Heilsplan für uns enthalten war. Nichts und niemand konnte Gottes Schöpfungswirken verhindern – er sprach es aus, und es war da. Ebenso wenig kann Gottes Heilsplan vereitelt oder verhindert werden. Alles ist genau so gekommen, wie er es wollte. Alles wird so enden – und weitergehen! – wie er es sich in seiner Weisheit und Liebe zu uns Menschen ausgedacht hat. Der Schöpfer des Universums, der gleichzeitig mein Vater ist (!), hält alles in seiner Hand. Schon vor Beginn des Anfangs…


Weiter geht es mit Paulus‘ Gebet für die Epheser. Er bittet an ihrer Stelle für „erleuchtete Augen des Herzens“: 

„… having the eyes of your hearts enlightened, that you may know what is the hope to which he has called you, what are the riches of his glorious inheritance in the saints, and what is the immeasurable greatness of his power toward us who believe, according to the working of his great might that he worked in Christ when he raised him from the dead”

Während ich diese Passage las, sah ich mich selbst wieder an der Bushaltestelle stehen. Da waren meine Augen des Herzens verfinstert gewesen, verkniffen und verklebt und allein auf mich selbst und meine (vermeintlichen) Mängel gerichtet – anstatt meinen Blick auf Jesus zu richten und auf das, was ich in ihm habe, was in ihm zu finden ist. Oh, ich brauche diesen Perspektivwechsel so sehr, für meine Augen, für mein Herz!


„IN CHRIST“ – das ist schließlich das Fundament für meine Collage und für alles andere. Jesu Tod am Kreuz und seine Auferstehung (das leere Grab) sind die Grundlage dafür, dass Veränderung möglich ist. Denn Jesus hat alles schon für uns getan. Die Voraussetzungen hat Er für mich erfüllt. Das ist Liebe. Das ist Gnade. 


2 Kommentare:

  1. Oh wie schön!
    Ich will das auch mit dem Bible Art Journaling ausprobieren!
    Vielen Dank für den ehrlichen und ermutigenden Blogeintrag!
    Glg Lena

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  2. Ein tolles Biblejournaling! Das habe ich Anfang des Jahres auch für mich entdeckt es ist wirklich super und geht mir so ans Herz <3 :)

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