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Auszug aus Psalm 4 |
Manchmal verwandeln sich die wunderbarsten Kinder der Welt in
furchterregende Bestien. Dann schreien sie und schlagen um sich und sind für
mich nicht mehr erreichbar. Es gibt Tage, an denen ich damit umgehen kann. Aber
es gibt auch die anderen Tage – an denen reift in mir eine Wut heran, die sich
von all den Kleinigkeiten nährt und irgendwann, wenn sie zu voller Größe gelangt
ist, explodiert. Jähzorn gibt es in meiner Familie seit Generationen. Dass ich
ihn auch in mir trage, weiß ich erst seit der Geburt meiner Tochter. Es war
eine schreckliche Entdeckung.
Oft komme ich mit der Wut klar, zu oft jedoch nicht. Dann
zeigt das hässliche Monster sein Gesicht und mir wird angst. Gerade eben war
ich doch noch ganz ruhig, und dann höre ich mich selbst brüllen und Dinge
sagen, die ich nie sagen wollte. Im einen Moment atme ich tief ein, um den
Kindern und mir selbst Zeit zu geben, im nächsten spucke ich Feuer. Und wenn
ich meine Tochter beobachte, ihre Ausbrüche und ihre Hilflosigkeit angesichts
der Übermacht ihrer Gefühle, dann erkenne ich den Jähzorn auch in ihr.
Um meine Kinder zu lehren, wie sie positiv mit ihren
Gefühlen (und ganz besonders mit der Wut) umgehen können, muss ich es erst
selbst lernen, das ist mir in den vergangenen Jahren klar geworden. Ich kann
nicht von meiner Tochter erwarten, dass sie „sich selbst im Griff hat“, wenn
ich selbst vor ihren Augen ausraste. Wie soll sie wissen, dass es einen guten
Ausweg gibt, wenn ich in ihr nicht zeige, wenn ich nicht vorangehe?
Ich gehe sie also an, meine Wut, und lerne langsam, ganz
langsam, mit ihr zu leben. Weil sie zu mir gehört und ihre Berechtigung hat,
und weil ich meine Kinder liebe.
Die folgenden Aspekte sind mir dabei wichtig geworden und
haben schon manche Situation gerettet:
Das Nervenkostüm
stärken: Ich sorge für mich und bitte um Unterstützung.
Die Erfahrung zeigt: Wenn ich meine Tanks regelmäßig
auffülle und dafür sorge, dass ich genug Ruhe (kreative Zeit, Nahrung, Schlaf
etc.) bekomme, kann ich den stressigen Alltag mit den Kindern deutlich besser
bewältigen. Natürlich ist das nicht immer möglich; mein Tank ist selten ganz
voll. Wenn ich merke, dass es mir nicht gut geht und ich befürchte, dass mir im
Lauf des Tages die Puste ausgehen könnte, hole ich mir Unterstützung. Ich
verabrede mich mit Freundinnen oder den Jugendlichen aus der Gemeinde –
vielleicht ist es auch möglich, die Kinder kurz bei einer Nachbarin abzugeben.
Ich habe inzwischen gelernt, dass ich nicht allein bleiben muss und es in
Ordnung ist, um Hilfe zu bitten.
Die Wut akzeptieren:
Sie ist ein Indikator, nicht mein Diktator.
Sobald die Wut in mir aufsteigt, tendiere ich dazu, mich
dafür zu verurteilen. Dabei ist Wut an sich ein legitimes Gefühl – sie zeigt mir an, dass etwas falsch läuft!
Nun gilt es, herauszufinden, was genau mich stört und wie ich etwas daran
ändern kann. Ich möchte lernen, meine Wut zuzulassen und sie als ein Warnsignal
wahrzunehmen. Nur dann kann ich sie nutzen, um Situationen zu verändern, anstatt
mich von ihr überwältigen und beherrschen zu lassen.
Notfallmaßnahmen
ergreifen: „Wenn ihr zürnt, so sündigt nicht.“
Wenn ich meine Wut erst einmal wahrnehme, ist es bei mir oft
schon zu spät – als wäre in meinem Inneren unbemerkt ein Fass vollgelaufen, das
nun durch den berühmten Tropfen zum Überlaufen gebracht wird. Für mich ist es
deshalb entscheidend, die Wut rechtzeitig zu bemerken, bevor sie zu groß wird.
Ich versuche, meine Gefühle regelmäßig zu überprüfen und bete darum, dass Jesus
mir hilft, das „Überlaufen“ zu vermeiden.
Wird die Wut trotzdem so groß, dass ich um meine
Selbstbeherrschung fürchte, haben sich die folgenden Strategien bewährt: Den
Raum verlassen und in ein Kissen schreien bzw. ins Kissen boxen. Jemanden
anrufen, zum Beispiel meinen Mann oder meine Mutter. Ohropax benutzen (man hört
die Kinder dann trotzdem noch, jedoch werden die Geräusche angenehm abgedämpft).
Laut zählen, bis ich merke, dass ich ruhiger geworden bin. Die Kinder zügig anziehen
(Ohropax!) und an die frische Luft gehen. Stoßgebete. Laut singen.
Das eigene Verhalten
hinterfragen: Reize ich meine Kinder zum Zorn?
Bin ich ungerecht oder zu streng? Bevorzuge ich eines der
Kinder? Höre ich meinen Kindern wirklich zu? Bin ich gerade zu ungeduldig?
Projiziere ich meine eigenen Wünsche und Vorstellungen auf die Kinder? Verlange
ich zu viel von ihnen? Habe ich die Bedürfnisse meiner Kinder gerade ignoriert?
Kritisiere ich zu viel und zu harsch? War ich zu unsensibel?
Mich nicht
überrumpeln lassen: Typische Wutsituationen „planen“
Viele Situationen wiederholen sich im Familienalltag, manche
sogar mehrmals täglich: Meine Tochter will sich nicht selbst anziehen (obwohl
sie das schon sehr gut kann) und fängt an zu schreien, wenn ich darauf bestehe.
Die Kinder nehmen sich gegenseitig Spielsachen weg und werden handgreiflich.
Meinem Sohn geht es bei Tisch nicht schnell genug und er tut seinen Unmut schrill
kreischend kund…
Bei diesen Standardsituationen lohnt es sich, in einer
ruhigen Minute das eigene Verhalten zu überdenken und sich eine Strategie
zurechtzulegen. Manchmal ist es wohl auch nötig, etwas mehr Zeit einzuplanen,
damit man nicht in (zusätzlichen) Stress gerät – zum Beispiel beim leidigen
Thema Anziehen. Wenn ich mein eigenes Verhalten vorher geplant habe, fühle ich
mich weniger hilflos und werde nicht von meinen Gefühlen übermannt.
Die Kontrolle behalten:
Die Kinder sind nicht die Herrscher
über meine Gefühle!
Nur weil meine Kinder ausrasten, muss ich es noch lange
nicht! Meine Kinder sind nicht die Herrscher über meine Wut; ich selbst
entscheide letztendlich, ob ich den Gefühlen nachgebe oder nicht. Ich möchte
lernen, selbst Verantwortung für mein Fühlen und Handeln zu übernehmen, anstatt
diese meinen Kindern zuzuschieben (Warum
machst du mich so wütend?). Schließlich bin ich die Mutter, ich bin
die Erwachsene, und als solche möchte ich mich auch verhalten.
Den Neuanfang wagen:
Ich bitte um Vergebung und sie wird mir geschenkt.
Immer wieder falle ich hin, allen guten Vorsätzen, Gebeten
und Maßnahmen zum Trotz. Wenn ich doch mal wieder geschrien habe und grob war,
muss ich mich dennoch nicht dafür fertig machen. Nein, das brauche ich wirklich
nicht! Gott hat nie etwas davon
gesagt, dass wir uns selbst zerfleischen und quälen müssen! Aber wir dürfen
unsere Sünde bekennen und um Vergebung bitten. Wir dürfen das Vergangene hinter
uns lassen und neu anfangen, jederzeit.
Wenn die Gemüter sich etwas beruhigt haben, gehe ich zu meiner
Tochter und bitte sie um Vergebung. Wir sprechen über das, was war, über unsere
Gefühle und unser Fehlverhalten und ich sage ihr, dass ich ihr vergebe
(unabhängig davon, ob sie sich bei mir entschuldigt hat oder nicht). Wir
kuscheln ein bisschen miteinander und ich sage ihr, dass ich sie lieb habe, und
dann ist alles wieder gut.
Habt ihr auch mit dem Thema Wut zu kämpfen?
Dann interessieren mich eure Erfahrungen und Strategien natürlich sehr! :)