Donnerstag, 12. März 2015

Count your blessings, Mama!



Das Wetter passt gerade ziemlich gut zu meiner Stimmung: Graue Wolken hängen auch über meinem Gemüt und lassen permanent feine negative Gedanken auf mich herabfallen. Ich fühle mich unendlich erschöpft und müde, wünsche mir nichts mehr als eine echte Pause (also gern tagelang!), die ich mir aber gerade nicht gönnen kann. Irgendwie ist mir die Freude abhandengekommen. Nicht einmal über unseren neuen Mietvertrag, gestern frisch unterschrieben, kann ich mich so richtig freuen, da der Umzug momentan hauptsächlich Stress bedeutet. Was da alles gemacht werden muss! Wie soll ich das neben dem alltäglichen Wahnsinn noch bewältigen können?
Und dann ist da diese dröhnende Stimme in meinem Kopf, die eigentlich gar nicht mehr aufhört, die ich einfach nicht ausschalten kann, die mir sagt, dass ich eine Komplettversagerin bin, als Mutter und überhaupt. Die mir sagt, dass ich mich niemandem öffnen darf – denn wer würde mich denn bitteschön noch mögen, wenn er erstmal die ungeschönte Wahrheit über mich wüsste? Wer könnte mir denn noch ehrlich sagen, ich sei eine gute Mutter, wenn er mich mal in meinem kinderschreienden, zähneklappernden, wuttränenden Alltag erleben würde? Ihr wisst ja gar nicht, wie ich sein kann… wie ich bin, manchmal…
Meine Geduld ist wie eine hauchdünne Eisschicht auf einem See. Da reicht ein einzelner Schritt, um einzubrechen. Meine Nerven sind wie eine Zitrone, aus der kein Tropfen Saft mehr herauszupressen ist, egal wie sehr man es versucht. Ein leeres Glas bin ich.
Wenn ich gegen Mitternacht ins Bett schlüpfe, in der Hoffnung auf wenigstens drei Stunden Schlaf am Stück, frage ich mich oft, was ich an diesem vergangenen Tag eigentlich gemacht habe. Was das für ein Tag war, was für ein Stück Leben. Und ich frage mich, worauf ich mich am nächsten Tag freue. Viel zu selten fällt mir da etwas ein. Mein Alltag scheint mir so unendlich gleichförmig, langweilig, stumpf. Die Kinder versorgen. Haushalt. Termine, ab und zu. Vielleicht ein Besuch. Spaziergänge. Gottesdienst. Die Kinder versorgen. Haushalt… Dröger Alltag eben. „Das ist jetzt dein Leben, Rebekka“, sage ich mir selbst. „Schau es dir an. Und, das hast du dir das so vorgestellt?“  
Ehrlich gesagt, nein. In der trüben Stimmung, in der ich mich gerade befinde, würde ich behaupten, dass mir mein Leben so, wie es gerade ist, nicht gefällt. Dass es mich eigentlich nur nervt, anödet, anstrengt. Mir fehlt das Besondere! Ich wünsche mir ein bisschen mehr Glanz. Ein Feuerwerk. Freude. Spannung – im positiven Sinne. Erlebnisse für die Ewigkeit. Glücksgefühle!

Doch dann spricht endlich die Vernunft: Wer lebt denn bitteschön so ein Leben im Glückstaumel? Wie stellst du dir ein solch „besonderes“ Leben vor, mal ganz konkret? Und ist das Leben denn nicht hauptsächlich Alltag, für jeden von uns? An den Rahmenbedingungen kannst du jetzt gerade nichts ändern, wohl wahr, aber kommt es nicht sowieso auf etwas ganz anderes an? Ganz ehrlich, Baby, dein Problem ist doch gar nicht der Alltag, sondern deine grottige attitude!
(Und die Vernunft redet sich in Rage. Wo sie doch Recht hat und ihr so selten zugehört wird!) Ja, du bist gerade völlig übermüdet und hast keine Energie für irgendwas (außer vielleicht fürs Jammern… schon mal darüber nachgedacht?). Ist doch völlig ok! Und geht auch wieder vorbei, irgendwann. Das ist eben das Elternleben mit allen seinen Facetten. Und der Schlafmangel und das Kindergeschrei, das sind nur zwei Facetten von vielen. Es sind sehr unglamouröse, muss man zugeben, aber doch nicht die Einzigen! Da gibt es auch so viel Schönes, sieh doch mal genauer hin!

Und ich reibe meine müden Augen, putze die verdreckten Brillengläser und sehe genau hin.
Mein Leben, die schönen Facetten:
Noemis „Mama, Mama“ – den ganzen Tag lang. Das erfüllt mich mit Stolz. Noemis Küsse, großzügig verteilt an uns alle, aus Hand und Mund. Noemis Lachen. Ihre Sprechversuche, jedes neues Wort (aktuell: Doch!). Noemis Pirouetten. Und ihr Hin- und Hergeflitze durch die ganze Wohnung. Ihre Liebesbekundungen dem kleinen Bruder gegenüber. Ihr ausgiebiger Mittagsschlaf. Der neuste Quatsch, den sie sich ausgedacht hat. Erste zarte Freundschaften, die sie im Mini-Club knüpft. Dass sie so unkompliziert ist. Ihre aufgeschlossene Art. Ihre schönen blauen Augen. Dass sie eigentlich nie krank ist. Und dass sie gut und gerne isst, auch Gemüse.
Samuels Lächeln und sein Glucksen, seine allerersten Mitteilungen an diese Welt. Sein Strampeln. Seine Kraft. Sein weiches Babyhaar, seine zarte Haut. Unkomplizierte Stillmahlzeiten. Hier und da ein Schläfchen. Diese rasante Entwicklung, sein Wachstum, seine Gesundheit. Sein weicher Körper, der sich im Schlaf an mich schmiegt. Samuels freundliches Wesen. Seine Wachheit. Und wie er auf seine große Schwester reagiert. Dass er inzwischen im eigenen Bettchen schläft. Und sich auch mal eine Zeit allein beschäftigen kann. Wie er sich einfach nur darüber freut, da zu sein!
Falkos Liebesbotschaften, die ich morgens auf dem Frühstückstisch vorfinde. Eine warme Umarmung, ein Kuss. Die Rosen, die er mir vom Einkaufen mitbringt. Und die Schokolade… Spaziergang-Gespräche. Ein kurzer Anruf von der Arbeit aus. Seine Verlässlichkeit. Dass er den Abwasch macht. Gemeinsam eine Folge Big-Bang-Theory schauen. Oder einen Worthaus-Vortrag hören. Versuchen, das neue Spiel auszuprobieren. Sich wortlos verstehen. Weinen dürfen. Zum Lachen gebracht werden. Nichts als selbstverständlich nehmen. Bald in eine neue Wohnung ziehen. Gestaltungsfreiheit haben. Gemeinsam Pläne schmieden. Ideen sammeln.
Neue Rezepte ausprobieren. An der frischen Luft sein. Stricken, und Reihe für Reihe sehen, wie etwas Schönes entsteht. Schreiben. Meine Mama anrufen und mich verstanden wissen, auch wenn ich vor lauter Tränen nichts sagen kann. Fotos und Filme der Kinder an die Verwandtschaft verschicken und Entzücken ernten. Zitronenkuchen backen. Sich über den frisch gesaugten Fußboden freuen, und über die saubere Wäsche im Schrank. Ein neues Buch aufschlagen. Durch die Küche tanzen. Ein Mittagsschläfchen wagen. Ehrlichkeit riskieren. Danken.
Sich neue Perspektiven aufzeigen lassen, immer wieder.

Love life – all of it. Embrace chaos. Count your blessings.


2 Kommentare:

  1. Liebe Rebekka,
    Anfang des Jahres habe ich deinen Blog entdeckt und schaue seit dem immer wieder vorbei, um zu sehen, ob du etwas Neues geschrieben hast. Deine Art zu schreiben ist erfrischend, voll mit manchmal poetisch anmutenden, manchmal wunderbar alltäglichen Wortkreationen. Sie hat mich angeregt, wieder selbst mehr zu schreiben, meinen oft wirren und schnellen Gedanken Ausdruck zu verleihen.
    Besonders beeindruckt und ermutigt mich deine Offenheit und Ehrlichkeit! Ich habe selbst (noch) keine Kinder, aber arbeite beruflich mit Kindern und Eltern und kann mir (zumindest in Ansätzen) vorstellen, wie herausfordernd das Leben mit zwei kleinen Kindern und überhaupt in dieser besonderen Rolle und Aufgabe als Mama ist. Danke, dass du mich und andere Leser an deinen Gedanken, an deinen Kämpfen, an deinen Freuden und Nöten teilhaben lässt. Die Wahrheit macht verletztlich, ich kenne einige deiner Gedanken nur zu gut, Dinge nicht auszusprechen, aus dem Wunsch heraus, geliebt und anerkannt zu sein. Deine Texte und deine Ehrlichkeit haben mich herausgefordert, wieder selbst authentischer zu sein - mir selbst und anderen gegenüber.
    Ich bin schon gespannt darauf, weiter von dir zu lesen und wünsche dir und deiner kleinen Familie viel Kraft. Gott mit euch!
    Es grüßt herzlichst Theedee

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    1. Liebe Theedee, vielen Dank für deinen lieben und ermutigenden Kommentar! Ich freue mich immer noch wahnsinnig darüber. Es ist so schön, mal eine Reaktion auf mein Geschreibsel zu bekommen - und dann noch so eine positive! Vielen Dank dir noch einmal und sei gesegnet!
      Liebe Grüße
      Rebekka

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