Das Wetter passt gerade ziemlich gut zu meiner Stimmung:
Graue Wolken hängen auch über meinem Gemüt und lassen permanent feine negative
Gedanken auf mich herabfallen. Ich fühle mich unendlich erschöpft und müde,
wünsche mir nichts mehr als eine echte Pause (also gern tagelang!), die ich mir
aber gerade nicht gönnen kann. Irgendwie ist mir die Freude abhandengekommen.
Nicht einmal über unseren neuen Mietvertrag, gestern frisch unterschrieben,
kann ich mich so richtig freuen, da der Umzug momentan hauptsächlich Stress
bedeutet. Was da alles gemacht werden muss! Wie soll ich das neben dem
alltäglichen Wahnsinn noch bewältigen können?
Und dann ist da diese dröhnende Stimme in meinem Kopf, die
eigentlich gar nicht mehr aufhört, die ich einfach nicht ausschalten kann, die
mir sagt, dass ich eine Komplettversagerin bin, als Mutter und überhaupt. Die
mir sagt, dass ich mich niemandem öffnen darf – denn wer würde mich denn
bitteschön noch mögen, wenn er erstmal die ungeschönte Wahrheit über mich wüsste?
Wer könnte mir denn noch ehrlich sagen, ich sei eine gute Mutter, wenn er mich
mal in meinem kinderschreienden, zähneklappernden, wuttränenden Alltag erleben
würde? Ihr wisst ja gar nicht, wie ich sein kann… wie ich bin, manchmal…
Meine Geduld ist wie eine hauchdünne Eisschicht auf einem
See. Da reicht ein einzelner Schritt, um einzubrechen. Meine Nerven sind wie
eine Zitrone, aus der kein Tropfen Saft mehr herauszupressen ist, egal wie sehr
man es versucht. Ein leeres Glas bin ich.
Wenn ich gegen Mitternacht ins Bett schlüpfe, in der
Hoffnung auf wenigstens drei Stunden Schlaf am Stück, frage ich mich oft, was
ich an diesem vergangenen Tag eigentlich gemacht habe. Was das für ein Tag war,
was für ein Stück Leben. Und ich frage mich, worauf ich mich am nächsten Tag
freue. Viel zu selten fällt mir da etwas ein. Mein Alltag scheint mir so
unendlich gleichförmig, langweilig, stumpf. Die Kinder versorgen. Haushalt.
Termine, ab und zu. Vielleicht ein Besuch. Spaziergänge. Gottesdienst. Die
Kinder versorgen. Haushalt… Dröger Alltag eben. „Das ist jetzt dein Leben,
Rebekka“, sage ich mir selbst. „Schau es dir an. Und, das hast du dir das so vorgestellt?“
Ehrlich gesagt, nein. In der trüben Stimmung, in der ich
mich gerade befinde, würde ich behaupten, dass mir mein Leben so, wie es gerade
ist, nicht gefällt. Dass es mich eigentlich nur nervt, anödet, anstrengt. Mir
fehlt das Besondere! Ich wünsche mir
ein bisschen mehr Glanz. Ein Feuerwerk. Freude. Spannung – im positiven Sinne.
Erlebnisse für die Ewigkeit. Glücksgefühle!
Doch dann spricht endlich die Vernunft: Wer lebt denn
bitteschön so ein Leben im Glückstaumel? Wie stellst du dir ein solch „besonderes“
Leben vor, mal ganz konkret? Und ist das Leben denn nicht hauptsächlich Alltag,
für jeden von uns? An den Rahmenbedingungen kannst du jetzt gerade nichts
ändern, wohl wahr, aber kommt es nicht sowieso auf etwas ganz anderes an? Ganz
ehrlich, Baby, dein Problem ist doch gar nicht der Alltag, sondern deine grottige
attitude!
(Und die Vernunft redet sich in Rage. Wo sie doch Recht hat
und ihr so selten zugehört wird!) Ja, du bist gerade völlig übermüdet und hast
keine Energie für irgendwas (außer vielleicht fürs Jammern… schon mal darüber
nachgedacht?). Ist doch völlig ok! Und geht auch wieder vorbei, irgendwann. Das
ist eben das Elternleben mit allen seinen Facetten. Und der Schlafmangel und
das Kindergeschrei, das sind nur zwei Facetten von vielen. Es sind sehr
unglamouröse, muss man zugeben, aber doch nicht die Einzigen! Da gibt es auch
so viel Schönes, sieh doch mal genauer hin!
Und ich reibe meine müden Augen, putze die verdreckten
Brillengläser und sehe genau hin.
Mein Leben, die schönen Facetten:
Noemis „Mama, Mama“ – den ganzen Tag lang. Das erfüllt mich
mit Stolz. Noemis Küsse, großzügig verteilt an uns alle, aus Hand und Mund. Noemis
Lachen. Ihre Sprechversuche, jedes neues Wort (aktuell: Doch!). Noemis Pirouetten. Und ihr Hin- und Hergeflitze durch die
ganze Wohnung. Ihre Liebesbekundungen dem kleinen Bruder gegenüber. Ihr
ausgiebiger Mittagsschlaf. Der neuste Quatsch, den sie sich ausgedacht hat. Erste
zarte Freundschaften, die sie im Mini-Club knüpft. Dass sie so unkompliziert
ist. Ihre aufgeschlossene Art. Ihre schönen blauen Augen. Dass sie eigentlich
nie krank ist. Und dass sie gut und gerne isst, auch Gemüse.
Samuels Lächeln und sein Glucksen, seine allerersten
Mitteilungen an diese Welt. Sein Strampeln. Seine Kraft. Sein weiches Babyhaar,
seine zarte Haut. Unkomplizierte Stillmahlzeiten. Hier und da ein Schläfchen. Diese
rasante Entwicklung, sein Wachstum, seine Gesundheit. Sein weicher Körper, der
sich im Schlaf an mich schmiegt. Samuels freundliches Wesen. Seine Wachheit.
Und wie er auf seine große Schwester reagiert. Dass er inzwischen im eigenen
Bettchen schläft. Und sich auch mal eine Zeit allein beschäftigen kann. Wie er
sich einfach nur darüber freut, da zu sein!
Falkos Liebesbotschaften, die ich morgens auf dem
Frühstückstisch vorfinde. Eine warme Umarmung, ein Kuss. Die Rosen, die er mir
vom Einkaufen mitbringt. Und die Schokolade… Spaziergang-Gespräche. Ein kurzer
Anruf von der Arbeit aus. Seine Verlässlichkeit. Dass er den Abwasch macht. Gemeinsam
eine Folge Big-Bang-Theory schauen. Oder einen Worthaus-Vortrag hören.
Versuchen, das neue Spiel auszuprobieren. Sich wortlos verstehen. Weinen
dürfen. Zum Lachen gebracht werden. Nichts als selbstverständlich nehmen. Bald
in eine neue Wohnung ziehen. Gestaltungsfreiheit haben. Gemeinsam Pläne
schmieden. Ideen sammeln.
Neue Rezepte ausprobieren. An der frischen Luft sein. Stricken,
und Reihe für Reihe sehen, wie etwas Schönes entsteht. Schreiben. Meine Mama
anrufen und mich verstanden wissen, auch wenn ich vor lauter Tränen nichts
sagen kann. Fotos und Filme der Kinder an die Verwandtschaft verschicken und
Entzücken ernten. Zitronenkuchen backen. Sich über den frisch gesaugten
Fußboden freuen, und über die saubere Wäsche im Schrank. Ein neues Buch
aufschlagen. Durch die Küche tanzen. Ein Mittagsschläfchen wagen. Ehrlichkeit
riskieren. Danken.
Sich neue Perspektiven aufzeigen lassen, immer wieder.
Liebe Rebekka,
AntwortenLöschenAnfang des Jahres habe ich deinen Blog entdeckt und schaue seit dem immer wieder vorbei, um zu sehen, ob du etwas Neues geschrieben hast. Deine Art zu schreiben ist erfrischend, voll mit manchmal poetisch anmutenden, manchmal wunderbar alltäglichen Wortkreationen. Sie hat mich angeregt, wieder selbst mehr zu schreiben, meinen oft wirren und schnellen Gedanken Ausdruck zu verleihen.
Besonders beeindruckt und ermutigt mich deine Offenheit und Ehrlichkeit! Ich habe selbst (noch) keine Kinder, aber arbeite beruflich mit Kindern und Eltern und kann mir (zumindest in Ansätzen) vorstellen, wie herausfordernd das Leben mit zwei kleinen Kindern und überhaupt in dieser besonderen Rolle und Aufgabe als Mama ist. Danke, dass du mich und andere Leser an deinen Gedanken, an deinen Kämpfen, an deinen Freuden und Nöten teilhaben lässt. Die Wahrheit macht verletztlich, ich kenne einige deiner Gedanken nur zu gut, Dinge nicht auszusprechen, aus dem Wunsch heraus, geliebt und anerkannt zu sein. Deine Texte und deine Ehrlichkeit haben mich herausgefordert, wieder selbst authentischer zu sein - mir selbst und anderen gegenüber.
Ich bin schon gespannt darauf, weiter von dir zu lesen und wünsche dir und deiner kleinen Familie viel Kraft. Gott mit euch!
Es grüßt herzlichst Theedee
Liebe Theedee, vielen Dank für deinen lieben und ermutigenden Kommentar! Ich freue mich immer noch wahnsinnig darüber. Es ist so schön, mal eine Reaktion auf mein Geschreibsel zu bekommen - und dann noch so eine positive! Vielen Dank dir noch einmal und sei gesegnet!
LöschenLiebe Grüße
Rebekka