Sonntag, 17. Januar 2016

Was mache ich hier eigentlich?




Anstrengende Tage liegen hinter uns. Seit Dienstag husteten die Kinder mit rasselnder Brust, Samuels Fieber stieg und stieg (was wenigstens seiner Laune, Gott sei Dank, zunächst nicht schadete) und Noemi kannte nur noch zwei Zustände: Schlafen oder Heulen. Gestern hatten wir dann auch noch die Schwiegereltern zu Besuch, was an sich ja nett war, aber eben vor allem eins: anstrengend. In der zurückliegenden Nacht schlief eigentlich nur unsere Tochter gut, während Samuel brüllte und Schleim erbrach und sich einfach nicht beruhigte. Da verlor ich irgendwann die Nerven, todmüde und entnervt wie ich war, schrie meinen Sohn an und verfrachtete ihn in die Arme seines Vaters, weil ich einfach nicht mehr konnte.
Der Morgen begann wie die letzten Stunden der Nacht geendet hatten, mit Geschrei und Hilflosigkeit, mit Heulen und unendlicher bleierner Müdigkeit, die jede Selbstkontrolle lahmlegt. Noch vor dem Frühstück, ich war noch im Schlafanzug, wollte ich nur noch meinen Kopf gegen eine Wand schlagen bis zur Besinnungslosigkeit. Meine Ruhe wollte ich, und ein anderer Mensch sein. Ich schämte mich so, fand aber auch keine Kraft mehr, mich zusammenzureißen und wie ein vernünftiger Mensch zu benehmen. Fünf Tage und eine Nacht Kindergeheule fast non-stop – es war genug.
Falko schickte mich zum Brötchenholen raus in den frischen Schnee. Der lag auf allen Zweigen und Beeren, bedeckte Hundekot und Silvesterüberreste, hüllte die Straßen und Häuser in Stille. Ich stapfte durch das kalte Weiß und war dankbar für die frische Luft, für die Bewegung; endlich konnte ich mich selber wieder spüren, die Müdigkeit ließ mich langsam, ganz langsam los. Beim Bäcker ließ ich neben Mohnbrötchen und Schrippen auch ein Buttercroissant einpacken. Als ich die Tür hinter mir schloss, begann ich zu weinen.
Am Abend zuvor hatte ich den starken Drang verspürt, meine schlafenden Kinder zu segnen, ihnen im Namen Jesu Heilung zuzusprechen. Ich folgte dem Impuls, von dem ich annahm, er könnte vom Heiligen Geist stammen, und war voll Vertrauen, die beiden am nächsten Morgen putzmunter und gesund anzutreffen.
Dann kam alles anders. Auf eine harte Nacht folgte die Erkenntnis, dass der Zustand der Kinder unverändert war – jedenfalls heulten sie so durchdringend und ausdauernd wie gehabt. Und das verstand ich einfach nicht! Ich verstand Gott nicht – warum ließ er mich so auflaufen? Warum hatte er mir diese falsche Hoffnung gemacht, warum hielt er seine Zusagen nicht ein, warum erhörte er meine Gebete nicht? Schon in den frühen Morgenstunden hatte ich ihm all das im Müdigkeitsnebel stumm entgegengeschrien und ihn wüst beschimpft. Nun, auf meinem einsamen weißen Marsch zurück nach Hause, blieb nur noch eine Frage übrig, die ich ihm ins Angesicht schleuderte: „Wo bist du?!?
Kaum hatte ich diesen Gedanken formuliert, erhielt ich auch schon die Antwort: „Siehst du denn nicht, dass ich da bin? Schau dir die Schneeflocken an, die vom Himmel herabschweben und die alle einzigartig sind, die Schönheit der roten Beere im weißen Mantel, hörst du nicht diese heilige Stille – verstehst du es nicht?“
Da wurde es endlich ruhig in mir.

Wir hatten trotzdem keinen perfekten Tag. Die Müdigkeit blieb und das Heulen auch. Es war nicht sofort alles „gut“.
Aber Gott hatte gesprochen und diese Worte schenkten meinem Herzen ein wenig Trost.

Das ist die Botschaft, die ich heute teilen möchte – die einzige, die ich habe:
Gott ist da.
Er ist für dich.
Gott ist für dich da.

Am Wochenende habe ich mich immer wieder gefragt, was ich hier eigentlich mache auf meinem Blog, wem ich eigentlich was erzählen will. Ich fühlte mich wie eine Komplettversagerin, und wahrscheinlich war bin ich das auch. Mir fehlte es an allem, an Geduld, Kraft, Liebe, Humor… Und während mir der Geduldsfaden riss, mal wieder, und ich brüllte oder grob wurde oder den Impuls verspürte, dieses heulende Kind samt Rotznase gegen die Wand zu klatschen (diese armen, kranken Wesen, die eigentlich mein Mitgefühl verdient hätten, das ich, hartherziger Mensch, jedoch nicht aufbringen kann, nicht mehr!), dachte ich manchmal bei mir: Was wäre, wenn deine Blog-Leser dich jetzt so sehen könnten? Wenn sie wüssten, wie du wirklich bist, wenn sie die ganze Hässlichkeit deines Wesens erkennen würden, in diesem einen abgrundtiefen Moment…
Und ich kam mir ein bisschen wie eine Heuchlerin vor, denn in letzter Zeit schien alles so tutti-frutti und wir bastelten eine Jahreszeientuhr und ich machte eine lange bunte Liste mit Vorsätzen für das neue Jahr und fühlte mich dabei irgendwie so supergeil.
Jetzt, am Wochenende, blickte ich wieder einmal in die Abgründe meines Herzens und was ich sah, entsetzte mich. Ich stieß an meine Grenzen, die sich so plötzlich und vollkommen unüberwindlich vor mir aufbauten, und kapitulierte vor meiner eigenen Schwachheit. Ich habe noch nie darüber geschrieben, aber in den ganz dunklen Momenten habe ich den Wunsch, mir selbst Schmerzen zuzufügen, mich in kleine Stücke zu zerreißen und einfach nicht mehr da zu sein.

Dieser Blog war eigentlich nie so gedacht, dass ich hier primär tolle Rezepte teilen wollte und darstellen, was für eine super kreative, wunderbare Mami ich doch bin (falls das doch irgendwann irgendwie so gewirkt haben sollte, tut es mir leid – da ist meine Sehnsucht nach Bestätigung mit mir durchgegangen) und was für ein überdurchschnittlich dankbares Leben ich führe. Mein Wunsch für diesen Blog war vielmehr, Leben zu teilen und das, was mein Leben ausmacht. Scheitern gehört dazu. Herumbrüllen gehört (leider) dazu. Schnotternasen gehören dazu. Selbstmitleid gehört (zugegebenermaßen) dazu, und so viel anderer Müll.

Und Jesus. 

Ich habe nichts zu geben, und ich bin nicht schlauer oder kreativer oder was-weiß-ich als all die anderen, im Gegenteil. Was ich tun möchte, und wofür dieser Blog ja eigentlich da ist (von wegen GottNaheGlücklich und so…), hat mit Selbstdarstellung nichts zu tun – es geht darum, das zu teilen, was Jesus in meinem Leben tut. Zu seiner Ehre und, hoffentlich, zur Ermutigung derer, die davon lesen.

Also ist es doch okay, dass ich für andere schreibe. Ich mache niemandem etwas vor, höchstens mir selbst, aber die Realität holt mich doch immer wieder ein und rückt mir den Kopf zurecht.
Dann falle ich und falle, falle tief, aber immer in Gottes Hand, und dann richtet er mich wieder auf. Das ist es, was ich erlebe, und darüber schreibe ich. Das ist es, worum es hier eigentlich geht. 
Gott nahe zu sein ist mein Glück.



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