Dienstag, 2. Januar 2018

Ein Wort für 2018


Genug.



Kurz vor Weihnachten gestaltete ich in meinem Tagebuch eine Seite, in der ich meine empfundene Verbindung zu den zunächst-kinderlosen Frauen der Bibel zum Ausdruck brachte: Sara und Rebekka, Rahel und Hanna und Elisabeth. Ich spürte eine gewisse Nähe zu ihnen, ihre Geschichten machten mir Mut - aber irgendwie fühlte sich das alles auch ein bisschen falsch an.

Ziemlich spät ging ich schlafen, und als ich so gerade im Übergang war zwischen Wachheit und Schlaf, da wurde mir plötzlich klar, was sich da falsch anfühlte:
Ich kann mich nicht mit Sara und Rebekka, Rahel, Hanna und Elisabeth vergleichen, denn:
Ich bin nicht kinderlos.
Ich habe zwei Kinder.

Zweimal hat Gott uns das Wunder geschenkt, dass ich schwanger wurde, zweimal durfte ich ein Kind in mir wachsen spüren, die zarten Bewegungen, die kräftigen Tritte, zweimal habe ich die Aufmerksamkeit bekommen und genossen, die so nur Schwangeren und frischgebackenen Mamas zuteil wird, zweimal habe ich ein Kind zur Welt gebracht - ich hatte zwei Babys mit unendlich weicher Haut, mit winzigkleinen Fingerchen und unergründlich tiefen Augen, die nun Kinder sind. Meine Kinder. Wunderschön und witzig und weise und laut und wild und unergründlich.

Diese Frauen in der Bibel, mit denen ich mich so gern verglichen hätte, hatten kein Kind, als sie zu Gott flehten. Das ist ein Schmerz, den ich mir zwar vorstellen kann und teilweise wohl genauso empfunden habe, der aber trotz allem nicht meiner ist! Diese Nähe, die ich spürte, die ich suchte, existiert nicht wirklich - zumindest nicht so, wie ich sie mir einbildete.

Ich war noch immer im Halbschlaf, wachte gar nicht weiter auf, aber ein Teil meines Bewusstseins verstand und verarbeitete das alles, plötzlich.
Mir fiel dieser Text von Priska ein, in dem sie darüber schreibt, dass wir es nicht mehr aushalten können, wenn etwas alle wird, wenn etwas zu Ende geht, wenn Leere entsteht. Wir wollen immer mehr, kriegen nicht genug. Dabei haben wir so viel! Wir haben genug.

Ich habe genug.
Eigentlich.

Denn offensichtlich sind mir meine zwei Kinder nicht genug. Ich will mehr.
Aus verschiedenen Gründen, die ich mir selbst kaum eingestehen mag: Ich will mich aus der Masse der Zwei-Kind-Familien abheben. Ich will "das" nochmal erleben mit Schwangerschaft und Geburt, um es diesmal wirklich zu genießen und "alles richtig" zu machen. Ich will nochmal so im Mittelpunkt stehen, mit Bauch und Baby.
Ich will mehr süßes Babylachen und weiches Babyhaar, mehr Liebe, mehr Familie. Mehr...

Dabei mangelt es mir doch an nichts.
Vielleicht ist jetzt einfach Schluss, vielleicht ist diese unsere Familie jetzt komplett.
Möglicherweise geht gerade etwas zu Ende (unser Sohn wird diesen Monat schon drei!) - und das muss ich aushalten. Weil das Leben so ist! Und weil Gott meint, so ist es genug.

Als ich am nächsten Morgen aufwachte, konnte ich mich trotz meines Dämmerzustandes zum Zeitpunkt der "Erkenntnis" an alles genau erinnern.
Und ich fühlte mich irgendwie anders.
Ich kann nicht sagen, dass der Kinderwunsch plötzlich verschwunden wäre, aber ich fühlte mich auf einmal versöhnt mit ihm und mit meinem Leben, mit diesem ganzen Jahr 2017, das ich zwischenzeitlich so verflucht hatte. Es war alles gut.

Und ich dachte an die bekannten Verse aus dem Predigerbuch: Alles hat seine Zeit.





Ich kann (kann ich?) anderen Frauen ihr Babyglück gönnen, mich für sie freuen, für sie da sein und manchmal auch ein bisschen froh sein, dass meine Kinder aus dem Alter raus sind - denn ich habe das alles auch schon erleben dürfen, zweimal. 
Und auch wenn es mir anders vorkommen mag: Ich habe diese Zeiten genossen. So gut ich es eben konnte. Die Schwangerschaften, die Tritte, die Aufmerksamkeit, das Wunder. 
Es waren schöne Zeiten, aber alles geht einmal vorbei. Alles hat seine Zeit: Schwanger werden und das Kind zur Welt bringen, Babys haben und große Kinder haben, fruchtbar sein und nicht mehr fruchtbar sein. 
Vielleicht ist meine Zeit für ein Baby vorbei.
Vielleicht ist sie auch nur nicht jetzt.




Ich muss nichts nachholen, und das kann ich auch nicht. Aber mich mit der Vergangenheit versöhnen und Buße tun für das, was falsch lief, das kann ich.
Das alles ist meine Geschichte - unsere Geschichte - und sie ist ja noch nicht zu Ende.
Ein Neuanfang ist möglich.


Jetzt ist meine Zeit, das Jetzt ist ein Geschenk und alles, was war und ist: mein Mann, unsere Kinder, diese kleine Familie. Ich will verhindern, dass ich in ein paar Jahren wieder bereue - dass ich zu sehr im Kinderwunsch verhaftet war und dadurch die Zeit mit den Kindern verpasste.
Jetzt ist keine Baby-Zeit - aber auch keine verlorene Zeit: Es ist Zeit, für meine Kinder da zu sein, für meinen Mann, für Familie und Freunde, für die Gemeinde und den Hauskreis und für die Menschen in unserer Umgebung, die mich brauchen. Jetzt ist Zeit für meine Kreativität, für eine neue Aufgabe - für ein neues Jahr!



Die Zukunft liegt vor mir wie ein Buch mit lauter weißen Seiten und ich fühle mich ein bisschen überfordert damit, diese zu füllen, sie zu beschreiben mit etwas, das Sinn hat. Ich weiß nicht, was kommen wird, und eigentlich weiß ich auch nicht, was ich mir wünsche für 2018.
Aber ich glaube und vertraue ganz fest, dass Gott mit mir geht, im Hier und Jetzt und auch im Morgen.
Und dass er mir genug gibt.

Noch nie vorher habe ich ein Wort für das neue Jahr ausgesucht, aber für 2018 habe ich eins. Ich habe es mir nicht wirklich selbst ausgesucht; irgendwie war mir klar, dass dieses Wort mein Motto für 2018 sein soll:
Genug

Gott gibt mir genug.
Mir wird nichts mangeln.
Ich habe so viel Grund zu danken.

Um mich daran zu erinnern habe ich eine kleine Collage auf Leinwand angefertigt und über meinen Schreibtisch gehängt.



Auch euch wünsche ich für dieses neue Jahr nur das eine:
Ich wünsche euch genug.




PS: Dieser Text beschreibt meine persönliche Erfahrung und das, was ich für mich erkannt habe - dies ist mein Weg und nicht "die ultimative Lösung" oder die Art und Weise, wie man das Thema angehen soll. Mir ist bewusst, dass manche von euch sich in einer ähnlichen Situation befinden und ich möchte euch hier auf keinen Fall belehren! Gott geht seinen Weg mit jeder von uns ganz individuell, und das, was ich aktuell erlebe, ist nicht der Weisheit letzter Schluss - ich möchte ganz einfach mit euch teilen, was mir unterwegs begegnet. Danke, dass ihr da seid!



4 Kommentare:

  1. Den seinen gibt's der Herr im Schlaf :-)
    Vielen Dank für's Teilen! Vieles empfinde ich ähnlich, der Wunsch nach einem dritten Kind, die Gründe dafür. Da ist auch das Gefühl, alles nicht genug ausgekostet zu haben, manches nicht gut genug gemacht zu haben. Bei mir ist es mein Alter und die Angst davor, nicht genug Kraft für eine Familie mit drei Kindern zu haben, die den Kinderwunsch unerfüllt bleiben lassen.
    Sei herzlich gegrüßt, Gottes Segen für euch! Maren

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    1. Liebe Maren, ja, wie wahr! ;)
      Danke dir für deinen Kommentar - und alles, alles Gute für dieses neue Jahr, viel Kraft und Freude und Frieden über dem, was war und ist!

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  2. Oh, ich freue mich sehr. 1. Dass du mich liest. 2. Dass es dich angesprochen hat. Und 3. dass du gesegnet und ruhig und dankbar ins neue Jahr startest.

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    1. Liebe Priska, ja, ich lese dich sehr gern ;) Danke für deinen Blog und für deinen lieben Kommentar! Ganz liebe Grüße aus Berlin.

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