Da antwortete
ihm Simon Petrus: Herr, wohin sollen wir gehen?
Du hast Worte
des ewigen Lebens; und wir haben geglaubt und erkannt: Du bist der Heilige
Gottes.
Johannes 6,
68+69
Der heutige Lehrtext in den Losungen passt wunderbarerweise genau zu dem
Thema, das mich gerade beschäftigt und über das ich vorhatte, zu schreiben. Es
ist nämlich der Vers, den wir zu Noemis Segnung für sie ausgesucht haben – weil
wir ihr das für ihr Leben wünschen: Dass sie eines Tages zu all den vielen
Möglichkeiten, Ablenkungen und Verlockungen der Welt sagen wird: „Ihr habt mir
nichts zu geben. Ich will dem folgen, der Worte des ewigen Lebens hat. Wohin
sonst sollte ich schon gehen? Ich will zu dem gehören, den ich liebe und der
mich liebt: Jesus Christus.“
Je älter Noemi wird, je besser sie verstehen und sich ausdrücken kann,
desto mehr wird für uns als Eltern die Frage groß, wie wir unser Kind im
Glauben erziehen wollen (sollen, können,
dürfen, müssen?). Was geben wir ihr mit auf ihren Glaubensweg, wie prägen
wir sie – im Guten, wie im Schlechten? Was können wir tun, damit sie Jesus
kennen- und lieben lernt? Klar ist, dass wir sie nicht nicht prägen können. Auch, wenn wir uns weiter keine Gedanken
machen und einfach vor uns hinwurschteln, wird sie das auf die eine oder andere
Weise beeinflussen.
Wir haben beide unsere Glaubensprägungen von zu Hause mitbekommen, und
recht unterschiedliche: Falko stammt aus einem landeskirchlich verwurzelten
Elternhaus, aus einer Gegend, in der es weder Kindergottesdienste noch
„Jungschar“, Jugendkreis oder Hauskreise gibt. Und ich bin eine
„Predigerstochter“ mit pietistischem Hintergrund, die die ganze christliche
Karriere von Kinderstunde und Sonntagsschule (wie es bei uns hieß) über
Jungschar, Teenkreis und Jugendkreis durchlaufen sowie unterschiedliche
Gemeinden kennengelernt hat. In Falkos Familie kennt man die Bibel
hauptsächlich durch die sonntäglichen Predigten, während in meiner Familie die
persönliche Lektüre eine große Rolle spielt. Das gilt auch für das Gebet. Falko
hatte viele Freiheiten, bei uns zu Hause waren Fasching, Bibi Blocksberg,
Make-up und Tanzkurs verboten. Für Falkos Eltern ist das Ehrenamt in der Kirche
durchaus wesentlicher Bestandteil ihres Lebens, für meine Eltern stand und
steht der Dienst an allererster Stelle, zu jeder Zeit.
In der SMD schließlich und dann auch in unserer Gemeinde begannen unsere
Glaubensfäden ihren gemeinsamen Lauf; dort wurde unser erwachsener Glaube stark
geprägt und darauf hatten unsere Eltern kaum noch Einfluss. So wird es bei
unseren Kindern auch einmal sein: Wir legen ein Fundament für ihr Glaubenshaus.
Und das ist auch wichtig. Wie sie dann aber weiterbauen, und ob sie das überhaupt tun möchten, liegt
kaum in unserem Einflussbereich.
Wie aber nun können wir Noemi zu einem freudigen, selbstständigen und
tragfähigen Fundament für ihren Glauben verhelfen? Wie findet man einen guten
Weg zwischen Bevormundung (oder gar Manipulation) und Vernachlässigung?
Wenn ich von dem ausgehe, wie meine Eltern meine Geschwister und mich im
Glauben erzogen haben, kristallisieren sich für mich ein paar Aspekte heraus,
die eine Antwort auf unsere Frage sein könnten:
Die Beziehung
zu Jesus vorleben
Meine Eltern lieben Jesus von ganzem Herzen, und die Beziehung zu ihm ist
die Grundlage ihres Lebens. Das kann ich so sagen, weil meine Eltern uns das
vorleben, im Großen wie im Kleinen. Darin sind meine Eltern ganz echt. Sie
verstecken sich niemals für ihren Glauben und treten für ihre Überzeugungen
auch in der Öffentlichkeit ein. Sie bemühen sich, entsprechend ihrer
Überzeugungen zu handeln: Sie sind für Menschen in Not da, pflegen
Gastfreundschaft, spenden großzügig, sie lesen jeden Tag in der Bibel, beten
für andere, sie entschuldigen sich, suchen Gemeinschaft mit anderen Christen,
und sie haben bereits mehrmals alles hinter sich gelassen, um an einem neuen
Ort, den Gott für sie bestimmt hatte, neu anzufangen. Da ist ganz viel
Gottvertrauen und eine große Ernsthaftigkeit in ihrem Leben, und besonders bei
meinem Vater spüre ich auch die Sehnsucht danach, Gott zu gefallen und immer
mehr so zu werden, wie Er es sich vorstellt. All die Dinge, die meine Eltern
tun und die ihr Handeln als „christlich“ erscheinen lassen, entspringen ihrer
Liebe zu Jesus und ihrer Beziehung zu ihm.
Das ist die Herausforderung für
uns als Eltern: Unsere Beziehung zu Jesus selbst zu pflegen, in der Liebe zu
ihm zu wachsen und ihm nachzufolgen, auch in den ganz kleinen Dingen. Mich berührt
immer wieder neu, wie Gottes Segen sich nicht allein auf Abraham auswirkte,
sondern wie er sich ausspannte auch über Lot und über Abrahams zahlreiche
Nachkommen. Auch mein Opa betonte immer wieder die Bedeutung der „Segenslinie“,
aus der wir stammen. Es macht mich froh, und es erleichtert mich auch, dass
Noemi durch Falkos und meine Beziehung zu Jesus bereits in einer Beziehung mit
ihm steht, dass sie ein Teil der Segenslinie meiner Familie ist.
Gutes aus der
eigenen Erziehung bewahren
Dazu gehören für mich in der Erfahrung mit meiner eigenen Herkunftsfamilie
die Punkte Bibel lesen, persönliches Gebet, Gemeindezugehörigkeit,
Gastfreundschaft, Vergebung und offene Kommunikation.
Jeden Morgen lesen meine Eltern gemeinsam in der Bibel. Das ist schon immer
so gewesen. Und ich bewundere sie da für ihre Disziplin und auch für ihren
Alltag, der ihnen diese Routine so ermöglicht. Für Falko und mich ist das
regelmäßige Lesen in der Bibel eine große Herausforderung, und es ist uns
beiden noch nicht gelungen, da eine praktikable Form zu finden. Aber ich weiß,
dass ich darin unseren Kindern ein Vorbild sein möchte. Ich möchte, dass ihnen
die Bibel lieb wird, dass sie früh damit in Berührung kommen, dass sie ein
ähnliches Bibelwissen erwerben, wie ich es noch aus meiner Kindheit habe. Und
da muss ich bei mir selbst anfangen: Dass mir
die Bibel wieder neu lieb wird, dass sie Bestandteil meines Alltags und unseres
Familienalltags wird – dass wir Wege finden, gemeinsam darin zu lesen.
Das persönliche Gebet – das hat uns als Familie gemeinsam stark gemacht.
Egal, wie klein das Anliegen auch war, wir konnten es schon früh vor Jesus
bringen und erleben, wie er in unser Leben eingriff. Das wünsche ich mir für
unsere Kinder: Dass sie vertrauensvoll mit allem zu Gott kommen und ihn auch
durch das Gebet als liebenden Vater erleben.
Die Gemeindezugehörigkeit war für uns als Predigerskinder immer ein
bisschen schwierig. Wir gehörten nie so richtig dazu, was nicht nur an den
Ortswechseln lag. Doch obwohl wir auch die negativen Seiten des Gemeindelebens
sehr bald kennenlernten, ist uns allen wichtig, eine Gemeinde zu besuchen und
dort auch mitzuarbeiten. Ich freue mich für Noemi, dass sie in unsere Gemeinde
hineinwachsen darf, dass sie dort schon fest dazugehört und herzlich geliebt
wird.
Gäste hatten wir oft. Zum Mittagessen nach dem Gottesdienst lud meine
Mutter immer wieder Einzelpersonen oder ganze Familien ein. Während unserer
Zeit in Hessen kam es häufiger vor, dass wir aus der Schule nach Hause kamen
und ein Landstreicher bei uns am Tisch saß. Auch Missionare hatten wir oft zu
Besuch – das liebten wir besonders, denn die brachten interessante Geschichten
und Gegenstände mit. Für Falko und mich hat Gastfreundschaft schon von Anfang
an eine Rolle gespielt und wir bemühen uns darum, eine offene Wohnung für
andere zu haben. In dieser Hinsicht möchten wir gern in die Fußstapfen meiner
Eltern treten.
Vergebung: Dazu gehört wohl auch, dass meine Eltern uns schon früh
beibrachten, was Fehlverhalten ist. Ich erinnere mich, dass ich als kleines
Mädchen oft nicht gut einschlafen konnte, weil sich mein schlechtes Gewissen
regte. Erst, wenn ich noch einmal aufstand, zu meinen Eltern ging und mich
entschuldigte, fühlte ich mich besser und konnte schlafen. Das
Sich-Entschuldigen hat in meiner Familie Tradition, und das schätze ich sehr.
Manchmal geht es heiß her bei uns, aber wir alle sind in der Lage, um Vergebung
zu bitten und diese auch auszusprechen. Dies zu lernen und zu kultivieren, ist
für mich auch ein Erziehungsziel.
Ebenso die offene Kommunikation: Ich wünsche mir, dass unsere Kinder sich
trauen, immer ganz ehrlich und offen zu sein. Dass wir uns auch mal streiten
und die Dinge ausdiskutieren, um uns anschließend wieder zu versöhnen. Dass
Noemi uns auch von Problemen und Schwierigkeiten berichtet oder davon, wie sie
sich nicht gerade mit Ruhm bekleckert hat. Dass wir als Eltern unseren Kindern wirklich
zuhören, sie trösten und ihnen weise raten.
Aus Falkos Herkunftsfamilie kann ich die Punkte Geduld und Vertrauen in die
Kinder ergänzen. Bei seinen Eltern geht alles viel langsamer und gemächlicher
zu als in meiner Familie. Das nervt mich oft, aber eigentlich möchte ich es
schätzen lernen: Zeit zu haben, sich auch mal Zeit zu lassen, Kinder nicht zu
gängeln oder zu drängeln.
Und Falkos Eltern haben ihre Kinder weniger reglementiert als ich dies von
meinen Eltern kannte. Sie vertrauten ihren Kindern und überließen ihnen viele
Entscheidungen selbst. Sie verboten nicht so viel, und glaubten daran, dass
ihre Kinder es selbst schaffen können. Dies sind Aspekte, die ich in meiner
Familie häufig vermisste, und die ich gern in unsere Erziehung integrieren
würde.
Eigene Formen
finden
Wir sind jetzt eine eigene, kleine Familie! Papa, Mama und Kind(er) – wow!
Und damit stehen wir auch vor der Herausforderung, unser ganz eigenes
Familienleben zu gestalten. Dinge anders zu machen, als wir sie von zu Hause
kennen. Spannend!
Vielleicht feiern wir Heiligabend dieses Jahr mal in Berlin, in unserer
Gemeinde, vielleicht mit Gästen, die keine Familienmitglieder sind. Vielleicht
führen wir ein üppiges Thanksgiving-Essen ein, um Gastfreundschaft und
Dankbarkeit zu zelebrieren. Vielleicht backen wir Osterplätzchen, tragen von
Karfreitag bis Ostersonntagfrüh Trauerflor und laden zu einer Seder-Feier ein. Vielleicht
dichten wir ein neues Geburtstagslied, denken uns ein Ritual zu Pfingsten aus
und verzichten an Weihnachten mal auf alle Geschenke? Oh ja, darauf freue ich
mich!
Für unsere
Kinder beten
Sie in Gottes Hände legen. Dass er sie beschützt, auch vor unseren Fehlern.
Dass er sie zu sich zieht und sich ihnen offenbart in der Weise, die sie
verstehen können.
Das ist sicherlich das Beste, was wir für sie tun können.
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