Die Blogs anderer Frauen und Mütter zu verfolgen, ist ermutigend und
inspirierend. Sie geben mir viele Anregungen und Tipps für den Alltag mit
kleinen Kindern, Anstöße zur Kreativität und so weiter. Da ist das Aquarium aus
einer alten Müsli-Packung, ein fast vergessenes Kinderlied, Ideen für den
Kindergeburtstag, der bei uns bald ansteht, ein Gedankensplitter zu Gottes
Gegenwart in meinem Leben. Ich beginne, mir ganz neue Gedanken zu machen – über
Konsum, Erziehung, Ehe, Freundschaft, Glaubensleben.
Im Grunde sind das sogar viel zu viele gute Dinge, die da
auf mich einströmen… Ich kann das, was diese Blogs an Wertvollem ausspucken, eigentlich
kaum verarbeiten. Vielleicht sollte ich mir mal eine Liste (oder besser: eine
Tabelle) anlegen, in der ich all das sammeln und für den späteren Bedarf
aufheben kann. Denn schließlich sind das alles Schätze, die nicht verlorengehen
dürfen. Spielideen, die ich unbedingt
ausprobieren muss. Rezepte, die für die Ernährung meiner Kinder von unschätzbarem Wert sind. Werte, die ich
meinen Kindern vorleben und weitergeben muss,
sollen sie wenigstens einigermaßen gut geraten…
Hier sind wir auch schon bei meinem Problem angekommen:
Irgendwie fühle ich mich in Anbetracht der Fülle guter Anstöße und Gedanken
ziemlich defizitär. Denn mein Leben scheint ganz anders zu sein: Nicht so bunt.
Nicht so bewusst. Nicht so Jesus-durchdrungen. Nicht so voll Nächstenliebe.
Nicht so kreativ. Nicht so engagiert.
Es ist beeindruckend – und das sage ich ganz unironisch,
voll ehrlicher Bewunderung – was
manche Menschen (und vor allem: MÜTTER) in der Lage sind, in 24 Stunden alles
unterzubringen.
Meine Energie dagegen reicht gerade so zum Überleben. Ich bin
froh über jeden Tag, an dem ich nicht ausflippe und meine Kinder anschreie.
Wenn ich meinen Haushalt so einigermaßen schaffe, bin ich zufrieden. Dass der
Draht zu meinem Ehemann und zu unserem Vater im Himmel noch besteht, erfüllt
mich mit leisem Stolz und Dankbarkeit. Die Kinder sind satt und sauber, wenigstens
das, denke ich, denn viel mehr kriege ich nicht hin. Oft habe ich das Gefühl,
einfach nur zu funktionieren.
Soziales Engagement? – Voll wichtig, aber was und wie und
vor allem: wann? Tolle Kreativprojekte? – Sehr gern, aber… und wie organisiere
ich das mit zwei Kleinkindern? Umstellung unserer Ernährung auf
Selbstversorgung bzw. regionale Biokost? – Wäre sicher wünschenswert, ist mir
aber ohne Auto und Garten gerade nicht möglich. Klamotten selber nähen? – Wow,
tolle Idee, aber so viel Aufwand, und dann bräuchte ich erstmal eine
Nähmaschine. Unvergessliche Naturerlebnisse mit den Kindern? – Die hat
vielleicht mein Mann, wenn ich ihn nach der Arbeit mit den Kindern rausschicke,
um einen Blogeintrag schreiben zu können. Wenigstens das.
Irgendwas mache ich anscheinend falsch. Wahrscheinlich sogar
ziemlich viel… Ich müsste mich besser organisieren, die Prioritäten neu ordnen,
Abstriche an anderen Ecken (aber welchen?) machen. Blöd nur, dass das schon
wieder nach ziemlich viel Arbeit klingt, für die ich – so fühlt es sich
jedenfalls an – weder Zeit noch Energie übrig habe.
Bleibt mir wohl also nichts anderes übrig, als meine
Defizite zu verwalten…
Ach, ich bin so erdrückend normal und lahm. Denn ich bin
tatsächlich NUR Hausfrau und Mutter. Ok, und ein bisschen auch Bloggerin, aber
das zählt nicht, weil das so viele andere neben ihren 1000 Aktivitäten auch
noch machen.
Selbst wenn ich
für meine Kinder Schulbrote schmieren würde, wäre ich sicher nicht dazu in der
Lage, dies besonders kreativ zu tun und die Kunstwerke anschließend auch noch
zu fotografieren. Wühlen im Dreck ist überhaupt nicht mein Ding und Tiere mag
ich (ganz ehrlich) auch nicht besonders. Über einen grünen Daumen verfüge ich
nicht, mir gehen sogar Kakteen ein, und zum (großartige Dinge) Basteln sind
meine Kinder noch zu klein.
Manchmal finde ich das deprimierend.
Eigentlich weiß ich ja, dass wir alle mit Defiziten leben.
Mit kleineren und größeren. Wir können nicht alles haben und schon gar nicht sofort.
Nicht alles ist für jede von uns machbar, erreichbar, und vielleicht auch gar
nicht erstrebenswert. Nur, weil Leute, die ich toll finde, aus Überzeugung ihre
eigenen Tomaten ernten, muss ich das nicht auch unbedingt tun. Nur weil andere
Kinder so viele Naturerlebnisse haben, im Freien schlafen und Rehkitze
streicheln (oder so), können meine Kinder erstmal auch ohne solche Highlights
auskommen.
Sicher, es gibt so vieles, was wertvoll wäre für meine
Kinder, was es wert wäre, an sie weiterzugeben: Naturliebe, Ehrenamt, Museen,
Bücher, Kreativität, verschiedene Sportarten, Bioessen, Ponyreiten, Angeln,
Klettern, Kinderlieder, exotische Länder… aber, ganz ehrlich: Wir müssen doch alle eine Auswahl treffen, und tun das
auch – mehr oder weniger bewusst. Wir tun eben das, was uns möglich ist, was
wir wichtig finden, was für uns Priorität hat und uns Spaß macht. Wir können
und MÜSSEN NICHT alles schaffen.
Ich verordne mir hiermit also ein bisschen Abstand von all
den tollen Anregungen, DIY-Tipps und Ideen und tätschele mir beruhigend den
Arm.
Denn erstens: Es kommen auch wieder andere Zeiten. Meine
Kinder sind wirklich noch sehr klein, da ist es völlig ok, wenn wir nicht jeden
Tag basteln oder eigene Zucchini züchten. Meine Kinder haben (das ist mein
Gebet) noch einige Jahre Kindheit vor sich, die wir mit verschiedenen
Aktivitäten, Hobbys und Erlebnissen füllen werden. Alles zu seiner Zeit.
Ich sage mir selbst: Geh einen Schritt nach dem anderen.
Überleg dir: Was ist JETZT für meine Kinder wichtig? Was ist
GERADE drin – finanziell, kräftemäßig, interessehalber? Wie kann ich JETZT
unsere gemeinsame Zeit gestalten? Nur darauf kommt es an, jetzt.
Zweitens: Wir geben unseren Kindern das mit, was uns selbst
etwas bedeutet. Das geschieht oft ganz unbewusst. In meinem Fall könnte das die
Liebe zu Büchern und zur Kreativität, zur Kunst sein, außerdem Gastfreundschaft
und die Zugehörigkeit zu einer christlichen Gemeinde mit allem, was dazugehört.
Meine Leidenschaft für Kenia und Ungarn und Fremdsprachen. Interesse an
Geschichte und gesellschaftspolitischen Fragen. Singen. Spaziergänge.
Bahnfahren statt mit dem Auto.
In anderen Familien wird viel Wert auf gesunde Ernährung und
Sport gelegt, anderen gelten Bildung und Wissen als höchstes Gut. Die einen
fotografieren ihre Brotboxen, die nächsten gehen mit der ganzen Familie zum
Fußball und wieder andere erkunden bei jedem Wetter die Natur. Manche Mütter
gehen mit ihrem Säugling in die Kunstausstellung, andere nehmen die Kinder mit
zu allen möglichen Gemeindeveranstaltungen oder zu ihrem ehrenamtlichen
Engagement…
Diese Vielfalt ist wunderbar! Unsere Familie bildet eine
Facette dieser Vielfalt, und muss nicht
das ganze Spektrum abdecken.
Drittens: Kinder entdecken ihre Welt mehr und mehr selbst. Immer
mehr Interessen und Möglichkeiten tun sich ihnen auf – zunächst in der Kita,
später in der Schule und im Verein, ebenso in den Medien. Sie lernen Neues
kennen und erschließen sich womöglich Welten, zu denen weder ihr Papa noch ich
so wirklich Zugang finden. Vielleicht wird meine Tochter völlig unerwartet
Leistungssportlerin oder geht als Schreinerin auf die Walz. Und unser Sohn könnte
Börsenmakler werden(Gott bewahre!), Anthropologe im Amazonas-Gebiet oder Professor
für Sinologie… Was ich damit sagen will: Unsere Kinder gehen möglicherweise
weit über das hinaus, was wir ihnen vorgelebt und angeboten haben. Diese
Perspektive beunruhigt mich zwar ein bisschen, auf der anderen Seite befreit
sie mich auch ungemein.
Und viertens: Manche Defizite lohnt es sich zu füllen. Aber
niemand kann an fünf Baustellen gleichzeitig schuften. Such dir lieber eine
aus, an der du arbeiten möchtest – einen Bereich in deinem Leben, für den du
dir am meisten Wachstum wünschst. Wenn es dir tief drinnen ein schlechtes
Gewissen macht, konventionell hergestellte und gehandelte Waren zu konsumieren,
überleg dir, wie du Schritt für Schritt zu einem nachhaltigeren und fairen
Lebensstil kommen kannst. Wünschst du dir mehr Sportlichkeit in deiner Familie,
dann arbeite daran, peu à peu mehr Bewegung ins Familienleben zu bringen. Sprich
mit deinem Mann darüber und auch mit deinen Freunden. Geh mit deinen
Überlegungen ins Gebet. Und wenn du dir nicht sicher bist, was gerade wirklich
dran ist - Lass dir ins Herz geben, woran Gott in deinem Leben arbeiten möchte.
Das ist es, was ich gerade tue. Ich will stille werden und
auf meinen Gott warten. Auf diese Weise halte ich die Ansprüche in ihrer
überwältigenden Gesamtheit immerhin etwas auf Abstand.
Wir sind wir, und das dürfen wir auch sein.
Wir bleiben nicht wir, wir verändern uns, und das ist gut
so.
Wir gehen weiter, wir bleiben nicht stehen.
Wir lassen uns inspirieren, und manches lassen wir auch...
Wir sind so frei!
Rebecca, DU GENÜGST! Alles, was deine Kinder brauchen, bist DU!
AntwortenLöschenAch Veronika, das war jetzt genau richtig. Danke und *schluchz* und überhaupt, du bist toll!
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