Donnerstag, 27. Oktober 2016

Budapest, szerelmem # 2


Tag 2

Unser zweiter Tag in Budapest war ein Sonntag - und der Nationalfeiertag! Daran hatten wir bei unserer Reiseplanung überhaupt nicht gedacht: Am 23. Oktober 1956 nahm der ungarische Volksaufstand gegen die kommunistische Partei und die sowjetische Besatzungsmacht seinen Anfang. Was als friedliche Studentendemonstration begann, endete einige Wochen später blutig - die übermächtige Sowjetarmee fiel in Budapest ein, zehntausende Ungarn wurden interniert und hingerichtet, hunderttausende verließen auf der Flucht vor der Diktatur ihre Heimat. 60 Jahre ist das nun her, aber die Wunden sind noch nicht verheilt. Die Ereignisse im Herbst 1956 sind für die Ungarn, und wohl besonders für die Budapester, noch sehr präsent - unzählige Gedenktafeln, Skulpturen und Mahnmale erinnern in der ganzen Stadt an die Opfer der sowjetischen Unterdrückung. Das Gedenken an die Ereignisse ist sicherlich staatlich gewollt, wird aber auch von der Bevölkerung selbst sehr ernst genommen. Das ganze Jahr über legen die Menschen Blumen, Kränze und Bänder in den Nationalfarben an besonderen Erinnerungsorten nieder und zünden Kerzen für die Ermordeten an.

Wir bekamen von den offiziellen Feierlichkeiten nur so viel mit, dass "unsere" Tramlinie unterbrochen wurde und sämtliche Museen und Sehenswürdigkeiten geschlossen waren. Pech für uns!

Morgens beim Frühstück waren wir jedoch ganz guter Dinge. Im Comic-Café Bonnie in der Károlyi utca (direkt gegenüber dem berühmten Central Kávéház) bekamen wir zu einem günstigen Preis ein sehr leckeres Frühstück: Rührei mit Käse und Gemüse (bzw. Debrecener Wurst) im Tortilla-Fladen. Mmmh, finom! 




Als ersten Programmpunkt hatten wir uns die Besichtigung der großen Synagoge in der Dohány utca vorgenommen. Das atemberaubend schöne Gebäude haben wir bisher immer nur von außen bewundert, und wollten es nun auch einmal von innen sehen. Leider machte uns der Feiertag einen Strich durch die Rechnung - diesmal allerdings nicht der ungarische Nationalfeiertag, sondern ein jüdisches Fastenfest über mehrere Tage... Da hatten wir uns vorher nicht ausreichend informiert. Wirklich schade. "Wir werden wohl noch einmal herkommen müssen", meinte mein Liebster, und da hat er vollkommen recht, finde ich!




Wir blieben nicht lange traurig, sondern holten unsere Schwimmsachen aus dem Gästehaus und fuhren mit der historischen "gelben" Metro (Nr 1) zum Hősök tere (Heldenplatz). An dessen Seiten finden Kunstinteressierte zwei sehr interessante Galerien, aber diese waren am heutigen Tag natürlich geschlossen... Die Burg Vajdahunyad mit dem Stadtwäldchen ließen wir rechts liegen und steuerten direkt auf das Széchenyi-gyógyfürdő (Thermalbad) zu.
Hier ließen wir es uns für die nächsten Stunden gut gehen - lagen träge im 28°C warmen Außenpool herum und planschten in den kleineren Becken mit sehr unterschiedlichen Temperaturen im Gebäude. Wir waren natürlich nicht die einzigen mit dieser Idee gewesen; es wimmelte nur so von Menschen!

Auch wenn ich eigentlich nicht so gern ins Schwimmbad gehe und es nicht mag, mich so knapp bekleidet vor unzähligen Menschen zu zeigen, fand ich diesen Besuch im Thermalbad sehr schön. Ich habe es fast genossen, all die unterschiedlichen Körper und Gesichter zu beobachten - kein Mensch gleicht dem anderen. Gott hat uns alle als Einzelstücke geschaffen: die einen größer, die anderen kleiner, einer stark behaart, ein anderer mit Glatze; die eine kurvig, die andere sportlich, mit roten Locken, blonder Mähne, brünetten Wellen, Stupsnase, Hakennase, Doppelkinn...

Warum lassen wir uns nur so oft einreden, wir wären nicht richtig so, wie wir sind? Warum glauben wir den Lügen, es würde uns glücklicher machen, wenn wir uns verbiegen, an uns "arbeiten", an uns herumschnippeln lassen? Warum versuchen wir so oft, jemandem ähnlich zu werden, der wir nicht sind?
Ich möchte mir das nicht mehr vorschreiben lassen.
Ich möchte mich nicht mehr schlecht fühlen.

Ich will die Person sein, die Gott im Sinn hatte, als er mich schuf.
Einen anderen Körper bekomme ich nicht.
Brauche ich auch nicht!

Am Heldenplatz
Vajdahunyad vára
Vor dem Széchenyi-Thermalbad (nach dem Baden)

Das Mittagessen ließen wir heute ausfallen und gingen lieber gleich zu Kaffee und Kuchen über: Mit der U-Bahn fuhren wir zum Oktogon und kehrten im altehrwürdigen Művész Kávéház ("Künstler-Kaffeehaus") ein. Ein unheimlich schöner Ort! Ich holte natürlich gleich mein Skizzenbuch raus und fing an zu zeichnen... Das habe ich an diesem Wochenende häufig gemacht und es sehr genossen.




Nach dieser kleinen Stärkung wurde es wieder sportlich: Mein Mann hatte sich in den Kopf gesetzt, mit mir den Gellértberg zur Zitadelle hinauf zu wandern.
Also fuhren wir mit der Tram auf die andere Donau-Seite und begannen am Gellért gyógyfürdő (auch ein altes, sehr schönes Thermalbad!) mit dem Aufstieg. Wir wählten die steilste Route, die uns direkt an der Donau entlang führte und uns ein herrliches Panorama über die in der beginnenden Dämmerung liegende Stadt bot.

Der Heilige Stefan mit der Freiheitsbrücke im Hintergrund
das Gellért-Thermalbad
wunderschöner Herbst!





An der Zitadelle angekommen, würdigten wir die "Sankt Sozialista" (so hat mein Liebster die "Freiheitsstatue" genannt) nur eines kurzen Blickes und widmeten uns lieber der Aussicht auf die Stadt, die nun hell und feierlich erleuchtet war. Die Kettenbrücke war mit tausend gelben Lampen geschmückt, das Parlament lag wie eine glänzende Perle am Flussufer, und ich entdeckte unter all den angestrahlten Kirchen auch die am Kálvária tér, in deren Nähe ich während meines Auslandssemesters gewohnt hatte.



Da es nun schon ziemlich dunkel war, knipsten wir nur noch ein paar Fotos und begannen mit dem Abstieg. Wir verließen die ausgetretenen Touristenpfade und wagten uns auf einen einsamen, nicht beleuchteten Waldweg, der uns schließlich durch ein am Berg gelegenes Villenviertel führte. Das muss ein traumhafter Blick sein, der sich den Bewohnern von ihren Fenstern, Terrassen und Balkonen aus bietet...
Wir kamen aber auch noch zu einen tollen Blick auf den Burgberg! Es ist doch immer wieder spannend und lohnenswert, altbekannte Pfade zu verlassen und einfach mal rechts (oder links) abzubiegen. Das taten wir an diesem Abend und entdeckten einen ganz neuen Aussichtspunkt, von dem aus wir die Burg zum ersten Mal nicht von der Donau-Seite, sondern von hinten betrachten konnten.
Unbezahlbar!




Szent Gellért

Über die Erszébet híd (Elisabethbrücke) ging es zurück nach Pest. Dort aßen wir in unserem Lieblingsrestaurant zu Abend und ließen es uns richtig gut gehen: Das Ruben Étterem in der Magyar utca 12-14 ist nämlich nicht nur schick und gemütlich; es gibt dort auch sehr leckeres Essen zu einem erstaunlich guten Preis. Da gönnten wir uns auch noch einen Nachtisch! (Reservierung empfohlen!)
Zum Tagesabschluss wechselten wir noch einmal das Lokal und wandelten die Ráday utca hinunter, in der sich eine Bar an die andere reiht. Hier wird man auf jeden Fall fündig, wenn man in Budapest am Abend essen gehen oder nur eine Kleinigkeit trinken will. Da die Ráday utca etwas abseits der Touristenroute liegt, trifft man hier viele Einheimische an. 

Wir hatten ein konkretes Ziel: Das Café Jedermann im Goethe-Institut Budapest. Hier wird Jazz gespielt und es gibt eine kleine Auswahl an Speisen und Getränken. Ich wollte hauptsächlich aus nostalgischen Gründen her; in meiner Studienzeit waren meine Freundin und ich oft im Jedermann anzutreffen, weil die Kellnerin deutsch sprach (ein Gefühl von Zuhause!), die recht gut bestückte Bibliothek des Goethe-Instituts sich nur ein Stockwerk über uns befand, und der Milchkaffee unschlagbar günstig war. 
Mein Liebster und ich blieben nur auf ein Glas Wein und traten dann den inzwischen wohlvertrauten Heimweg ins Gästehaus an. Müde, voll von Eindrücken und auch ein bisschen wehmütig: Nur noch ein Tag Budapest übrig...



2 Kommentare:

  1. Wunderbare Bilder ,es tut einfach gut mal etwas als Paar zu unternehmen , Budapest ist ja eine tolle Stadt.
    Liebe Grüße

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  2. Oh ja! Ich kann einen Besuch dort wirklich nur empfehlen :)

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