Montag, 12. Februar 2018

Wertvolle Hochsensibilität


Am Samstagabend kuschelten wir uns alle zusammen auf die Couch. Nach dem Baden dürfen die Kinder immer einen kleinen Film schauen und manchmal bereite ich dafür das Abendessen als kleine leckere Häppchen vor. Das ist immer richtig schön, nicht nur für die Kinder.
Als wir so auf dem Sofa saßen, fiel mein Blick auf einige Eukalyptus-Zweige, die wir am Vormittag gekauft hatten und die nun in einer kleinen Vase auf dem Regal standen. Es waren nur ganz kleine Zweige, so einfach und schlicht, aber ihr Anblick berührte mich auf einmal so sehr, ihre Schönheit ließ eine Saite meiner Seele ganz leise klingen und ich freute mich unheimlich über dieses Stück Natur in unserem Zuhause. Für einen Moment blendete ich alles andere aus, Film, Abendessen, meine Familie, und war ganz bei den Eukalyptus-Zweigen.

Und so geht es mir oft. Ich denke, dass diese Art der tiefen Wahrnehmung mit meiner Hochsensibilität zu tun hat - und dass diese Fähigkeit eine Stärke ist.
Häufig habe ich den Eindruck, die Hochsensibilität würde mir den Alltag erschweren, den Umgang mit meinen Kindern und Menschen im Allgemeinen - die ständige Überreizung, die Grübelei, die Empfindlichkeit - all das würde ich eher als Schwäche bezeichnen.
Aber Hochsensibilität hat auch sehr schöne, wertvolle Seiten, ja, Vorteile, die ich in meinem Leben genieße und die mich als Person ausmachen. Wenn ich die Möglichkeit hätte, von heute an normalsensibel zu sein - ich würde sie ausschlagen. Denn auf diese positiven Effekte möchte ich nicht verzichten:

1. Starkes Wahrnehmen von Schönheit und Ästhetik
Das habe ich oben ja schon ein bisschen beschrieben: Schöne Dinge, wie Blumen oder Naturphänomene, Gedichte, Musik und ganz besonders Kunst haben eine starke Wirkung auf mich. Es macht für mich zum Beispiel immer einen riesigen Unterschied in unserem Zuhause, wenn wir frische Blumen da haben. Ich kann mich an ihnen kaum satt sehen. Ich liebe es auch, Bildbände durchzublättern, wieder und wieder. Ich brauche Schönheit für meinen "Augenhunger" und als Kraftquelle für den Alltag.

2. Kreativität 
Ohne meine Hochsensibilität wäre ich sicherlich keine "Künstlerin". Dieses Bedürfnis, selbst etwas Schönes zu schaffen, hängt ganz eng mit dem tiefen Empfinden für Schönheit zusammen.
Es ist interessant, dass meine Kreativität zu einem Zeitpunkt so "explodiert" ist, als ich mir über mein hochsensibles Wesen klar wurde. Für mich ist Kreativität ein wichtiges Hilfsmittel, mit der Hochsensibilität umzugehen und aufzutanken. Gleichzeitig liefert mir meine hochsensible Wahrnehmung ständig neues Futter für das künstlerische Schaffen.



3. Starkes Empfinden positiver Gefühle
Natürlich kenne ich nur meine Art der Wahrnehmung und es ist gar nicht so einfach, zu beschreiben, wie ich Dinge empfinde. Aber mein Eindruck ist, dass ich sowohl negative als auch positive Gefühle überdurchschnittlich stark wahrnehme und erlebe. Das können meine eigenen Emotionen sein, aber auch die anderer Menschen. Manchmal bin ich so glücklich, dass ich platzen könnte, dass mein Herz gar nicht groß genug ist, um all das Glück zu fassen. Ich bin oft zu Tränen gerührt, bekomme eine Gänsehaut, merke plötzlich, dass mein Herz springt.
Ja, als Hochsensible nehme ich das Leben auch mit seinen Höhen intensiver wahr und macht die Sache richtig interessant!

4. Fähigkeit, genau zu beobachten und Situationen/Informationen schnell zu erfassen
Hochsensible haben, so habe ich irgendwo gelesen, keinen Filter, der die Informationen, die auf uns einprasseln, in "wichtig" oder "unwichtig" sortiert. Für sie ist viel mehr "wichtig" als für normalsensible Menschen.
Diese Besonderheit führt bei mir regelmäßig zu einem Gefühl der Überreizung.
Ich habe aber auch festgestellt, dass ich dadurch in der Lage bin, Situationen und Informationen sehr schnell zu erfassen. Ich beobachte viel und genau, und ich verstehe fast immer sofort, was los ist. Das ist eine sehr hilfreiche Gabe, gerade auch als Mama.

5. Gute Intuition und Fähigkeit, Entscheidungen zu treffen
Ganz salopp gesagt: Ich habe sehr oft Recht ;-) Meine Gefühle trügen mich selten und mein Mann musste bereits häufiger feststellen, dass ich es "schon vorher wusste".
Ich dachte immer, das wäre so ein "weibliches" Ding, aber inzwischen sehe ich diese Fähigkeit eher im Zusammenhang mit Hochsensibilität. Oft sind die Dinge, die ich spüre, nicht wirklich greifbar; ich kann nicht unbedingt erklären, warum ich diesen und nicht jenen Weg für richtig halte, aber am Ende hat sich oft mein erster Eindruck bestätigt.




6. Ein fein eingestelltes Gewissen
Schon als Kind konnte ich nicht einschlafen, wenn ich mir den Tag über etwas hatte zuschulden kommen lassen. Ich musste aufstehen und zu meinen Eltern gehen, um zu beichten oder mich zu entschuldigen. Ansonsten ließ mir mein Gewissen keine Ruhe.
Das ist auch heute noch so. Ich bin mir ziemlich schnell meiner Vergehen bewusst und kann es dann nicht ertragen, wenn etwas zwischen mir und einem anderen Menschen steht.
Eine Zeitlang empfand ich dieses fein eingestellte Gewissen, das bei jeder scheinbaren "Kleinigkeit" Alarm schlug, als störend. Ich fragte mich, ob ich es nicht übertrieb. Aber auch diese Eigenschaft habe ich schätzen gelernt. Sie ist wertvoll, weil sie Frieden stiftet und weil sie mir zeigt, was Gottes Wille ist und wo ich noch nicht danach lebe.

7. Reiche Gedankenwelt und buntes Innenleben
Ja, die ewige Grübelei ist schon anstrengend. Aber auf der anderen Seite schätze ich es, mir tiefgründige Gedanken zu machen und in einer reichen inneren Welt zu Hause zu sein, voller Ideen, Erinnerungen, Bilder...
Natürlich bin ich auch mal gedankenlos, aber insgesamt halte ich mich für eine bewusste Person mit Tiefgang - und Phantasie. Dass ich überhaupt angefangen habe, zu bloggen, hat auch viel damit zu tun.
Und wenn mir mal alles zu viel wird, kann ich abtauchen in diese bunte Innenwelt. Brigitte Schorr hat diese in ihrem Buch Hochsensible Mütter als "Schatzkammer" beschrieben und ich finde die Metapher sehr passend. In meiner inneren Schatzkammer liegen ganz lebendige Erinnerungen, Bilder, positive Gefühle, schöne Sätze... die ich mir jederzeit betrachten und an denen ich mich freuen kann.



Hochsensibilität erscheint uns manchmal als Schwäche, als eine Bürde, die wir tragen müssen. Das mag in vielen Situationen auch so sein.
Gleichzeitig halte ich mein hochsensibles Wesen mehr und mehr für ein Geschenk, für eine Gabe Gottes. Er hat mich so gewollt, er hat mich so gemacht, und er verfolgt damit ein Ziel. Zu der Person, die ich in Gottes Augen bin und werden soll, gehört auch die Hochsensibilität, meine Kreativität, meine Intuition, mein Innenleben.
Und wir haben alle die Aufgabe, Gott zu lieben und ihn zu verherrlichen, mit unserem ganzen Leben, mit unserem ganzen Wesen - als die, die wir sind, normalsensibel oder hochsensibel, künstlerisch oder naturwissenschaftlich begabt, in der Stadt oder auf dem Dorf, alleinstehend oder mit Familie, groß oder klein, traurig oder fröhlich.




5 Kommentare:

  1. Jawoll :) Danke! Das sind so schöne Eigenschaften.
    3. und 7. kenn ich von mir auch. Ist nicht das Schlechteste.

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  2. richtig schöne Gedanken. Toll das du die Seite mal umdrehst und auch die positiven Seiten erzählst . liebe grüße

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  3. liebe reh, ja, so empfinde ich die vorteile auch. und was die nachteile angeht: mir hat ein mbsr-kurs sehr sehr geholfen. seit dem kann ich meine aussenaufmerksamkeit gezielt nach innen lenken um mich zu regulieren. und noch einiges mehr. die kurse gibt es inzwischen in jeder grösseren stadt. kann ich nur empfehlen! nochmals liebe grüße, andrea

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