Sonntag, 30. Oktober 2016

Budapest, szerelmem # 3


Unser letzter Tag in Budapest begann mit einem ordentlichen Frühstück im Centrál Kávéház (Károlyi utca 9). Dieses traditionsreiche Kaffeehaus gibt sogar eine eigene kleine "Zeitung" heraus - das hat schon Stil! Für meinen Mann gab es, ganz herzhaft, Spiegelei, Bacon und Letscho; ich entschied mich für das "Fitness-Frühstück" mit Müsli, Joghurt und Obst. Wenn wir unterwegs sind, finde ich es immer gar nicht so einfach, mich vernünftig zu ernähren; da war ich über diese Mahlzeit wirklich sehr dankbar :)




Wir hatten uns einiges vorgenommen, um die letzten uns bleibenden Stunden in der Lieblingsstadt voll auszukosten. Da wir nicht noch einmal so einen Reinfall wie am gestrigen Tag erleben wollten, hatten wir vorher ein bisschen recherchiert und herausgefunden, dass nach wie vor so gut wie alle Budapester Museen montags geschlossen haben. Einzig das Mai Manó Ház, das ungarische Fotografie-Museum, sollte um 11 Uhr seine Pforten öffnen. Dort wollten wir hin - wenigstens ein einziges Museum wollte ich an diesem Wochenende besuchen!

Vorher fuhren wir noch mit der Tram nach Buda, um das Grabmahl des berühmten türkischen Derwischs Gül Baba ("Vater der Rosen") anzusehen. Dieser war 1531 von seinem Sultan nach Buda gesandt worden und hatte in der Stadt ein Derwisch-Zentrum gegründet. Möglicherweise führte er die Rose nach Ungarn ein. Sein Grabmahl gilt als nördlichster Wallfahrtsort des Islam, und das wollten wir uns mal anschauen. Leider wurde uns der Weg von einem großen Bauzaun versperrt - "wegen umfassenden Renovierungsarbeiten kann das Grabmahl derzeit nicht besichtigt werden". Toll. Also machten wir wieder kehrt und machten uns erst gar keine Mühe, den irgendwo in der Umgebung befindlichen Rozsadomb (Rosenhügel) zu suchen.

Jetzt bekam ich schlechte Laune. Dieser sinnlose Ausflug auf die andere Donau-Seite hatte uns nur kostbare Zeit gekostet und nichts gebracht. Ich wollte doch die uns bleibenden Stunden richtig nutzen und noch etwas Interessantes erleben! Stattdessen liefen wir durch eine (zugegebenermaßen) ziemlich hässliche Ecke der Stadt, in der es abgesehen von Gül Tabas Türbe rein gar nichts zu entdecken gibt... Für meinen Liebsten war das alles überhaupt nicht problematisch: "Ach komm, wir haben doch Urlaub und können machen, was wir wollen - da gibt es doch keinen Zeitplan und keine To-Do-Liste!" Natürlich hatte er Recht, aber es stank mir trotzdem, dass unser Plan nicht aufgegangen war. Und es stank mir, dass mir das so viel ausmachte. Und dass mein Mann mich anscheinend nicht verstand. Es schlich sich (wieder einmal) das Gefühl ein, nicht "richtig" zu sein.

Mai Manó Ház

Immerhin war nun genug Zeit verstrichen, um das Fotografie-Museum besuchen zu können. Mit der Tram ging es zurück nach Pest. In der Nagymező utca 20 empfing uns das Mai Manó Ház mit einem riesigen Banner: "We are open!" Eine Information, die mich hoffnungsvoll stimmte - welche aber doch nicht so ganz der Wahrheit entsprach. Es war halb zwölf und das Museum war geschlossen. Die Tatsache, dass es um 14 Uhr öffnen würde, tröstete mich nicht wirklich. Schon wieder eine verschlossene Tür! Schon wieder ein Plan, der nicht aufging! Wieder war mein Versuch, die Geschehnisse zu kontrollieren, gescheitert. Drama! 

Ich setzte mich auf eine Parkbank und heulte erstmal eine Runde. So hatte ich mir das alles nicht vorgestellt! Und ich ärgerte mich so sehr über mich selbst - warum machte mir das so viel aus? Wieso war (bzw. bin...) ich so unflexibel? Warum klammere ich mich so an meine eigenen Pläne und Vorstellungen? Weshalb bekomme ich es nicht hin, die Dinge hinzunehmen, so wie sie sind, und einfach im Hier und Jetzt zufrieden zu sein?
Falko war zunächst auch ratlos, was nun zu tun sei. Wo sollten wir hin? Wie würde er mich wieder beruhigen können? Da fiel ihm ein Kirchturm auf, der wenige hundert Meter von uns entfernt in den Himmel ragte: Die Avilai Nagy Szent Teréz-Kirche.  "Da gehen wir jetzt rein!" Gesagt, getan. 
Wir saßen eine ganze Weile in einer Kirchenbank und ließen Prunk und Gloria auf uns wirken. 
Ich dachte nicht viel in dieser Zeit, irgendwie konnte ich keinen vernünftigen Gedanken fassen, aber es wurde endlich ruhiger in mir. Unsere Pläne ließ ich los. Gott ist so viel größer! flüsterte es mir aus allen Ecken des reich geschmückten Innenraums entgegen.

Avilai Nagy Szent Teréz-plébániatemplom
Um 12 Uhr wurden die Lichter gelöscht und wir traten wieder ins Freie. Der Blick auf den Stadtplan verriet uns, dass wir uns in der "Elisabethstadt" (Erzsébetváros) befanden - im jüdischen Viertel Budapests. Neben der großen Synagoge gibt es in der Stadt noch einige kleinere Synagogen, und zwei davon befanden sich in unserer unmittelbaren Nähe. Wenigstens von außen wollten wir sie uns ansehen, und ein bisschen durch die Straßen schlendern. Es ist eine besondere Gegend, das jüdische Viertel; ein bisschen kannte ich mich hier noch aus Studienzeiten aus. Viele Szenelokale sind hier anzutreffen, wie zum Beispiel der Szimpla Kert, der wohl berühmteste Ruinen-Pub der Stadt; es gibt koschere Restaurants, Teehäuser und ganz viel Street-Art an den Wänden. 





Mitten in all dem bunten Treiben fanden wir auch Erinnerungsorte an schwere, grausame Zeiten: eine Erinnerungstafel mahnt, die Menschen nicht zu vergessen, die im Budapester Ghetto eingepfercht wurden, um schließlich in Lager deportiert und dort ermordet zu werden. Viel ist nicht mehr übrig vom Ghetto - überhaupt scheinen sich die Ungarn nicht gern an den Holocaust und ihre eigene Verwicklung darin zu erinnern...
Beeindruckend ist die Skultpur, die an Carl Lutz erinnert - einen schweizer Diplomaten, dem es  gemeinsam mit anderen Widerstandskämpfern gelang, etwa 62 000 ungarische Juden zu retten. Dank seines mutigen Handelns überlebte die Hälfte der jüdischen Bevölkerung Budapests, da er sie vor der Deportation bewahrte. Carl Lutz erfuhr Zeit seines Lebens nicht die Anerkennung, die er für seinen Einsatz verdient hätte. Doch wenigstens erfuhren wir von ihm - hier, in einer Ecke des jüdischen Viertels, von ihm: "Wer einen Menschen rettet, rettet die ganze Welt." (Talmud)

Orthodoxe Synagoge in der Kazinczy utca


Rumbach Synagoge in der Rumbach Sebestyén utca


Zur Erinnerung an Carl Lutz

Und endlich fanden wir auch einen ganz tollen Laden, um noch ein paar Geschenke und Souvenirs zu kaufen! Ich war sofort ganz verzaubert von Printa - Galerie, Café und Shop, schräg gegenüber der Rumbach Synagoge in der Rumbach Sebestyén utca 10. Hier bekommt man wunderschöne Budapest-Drucke, aber auch Taschen, Kissen, Klamotten, Schmuck, Postkarten und so weiter. Wunderschöne Sachen haben die da! Wir erstanden zwei handgenähte Tier-Kissen für unsere Kinder und zwei kleine bedruckte Notizbücher für mich. Als wir den Laden wieder verließen, ging es mir wieder richtig gut - von wegen, Shoppen macht mich nicht glücklich ;)





Ein Punkt auf meiner mentalen Das-will-ich-in-Budapest-erleben-Liste stand noch aus: Ein Besuch in der Ruszwurm Cukrászda (Konditorei) auf dem Burgberg. Dort wollten wir unsere allerletzten Forints in Torte umwandeln. Vorher hieß es noch einmal klettern: viele, viele Stufen... Das letzte Stück fuhren wir mit dem schicken neuen Lift an der Burgmauer; den wollte ich doch wenigstens einmal ausprobieren. In der Konditorei ergatterten wir Gott sei Dank einen der raren freien Tische und ließen uns Sacher- und Dobostorte schmecken. (Dobostorte ist übrigens der ungarische "Nationalkuchen": Acht Schichten Biskuit und Schokoladencreme mit Karamellglasur.)





Ruszwurm Cukrászda


Die Türme des Hilton-Hotels und der Matthiaskirche
Langsam wurde es Zeit, den Weg zum Gästehaus anzutreten, unser Gepäck abzuholen und zum Flughafen zu fahren... Ein letztes Mal spazierten wir über den Burgberg, mit dem festen Vorsatz, beim nächsten Besuch unsere Kinder mitzubringen. Die hatten wir doch sehr vermisst in den drei Tagen!
An der Fischerbastei ging es für uns wieder abwärts. Am Fuß der Stufen entdeckten wir noch ein Denkmahl: Einen in die Tiefe stürzenden Jungen. Hier wird an Péter Mansfeld gedacht, der an den Studentenprotesten 1956 teilgenommen hatte und nur elf Tage nach seinem 18. Geburtstag von den Kommunisten erhängt wurde. So ein junges Leben, so sinnlos und grausam beendet...

Und nochmal: Halászbástya
Zur Erinnerung an Péter Mansfeld



Auf der Kettenbrücke überquerten wir zum letzten Mal die Donau und verabschiedeten uns von Buda, dem wunderschönen Panorama und einem ganz besonderen Wochenende.




Der Vollständigkeit halber noch ein paar weitere interessante Orte in Budapest, die wir diesmal leider nicht besuchen konnten:
  • Der Kerepesi temető (Friedhof) im 8. Bezirk (Józsefváros) ist einer meiner Lieblingsorte in der Stadt. Es klingt vielleicht etwas morbide, aber ich bin dort immer sehr gern spazieren gegangen. Hier sind viele prominente Ungarn, Staatsmänner, Dichter und Schauspieler begraben worden - teilweise in wunderschönen Grabmählern und Mausoleen. Und im Gegensatz zum Stadtwäldchen oder dem Park auf der Margaretheninsel ist es hier wirklich ruhig!
  • Das Terror háza (Terrorhaus) in der Andrássy út 60 ist eins der sehenswertesten Museen in Budapest. Es informiert über beide Diktaturen des 20. Jahrhunderts und gedenkt an deren Opfer. Sehr eindrücklich!
  • Es werden Führungen durch das jüdische Viertel (samt Synagogen) angeboten. Beim nächsten Mal möchten wir gern an einer solchen teilnehmen.
  • Im Szépművészeti Múzeum (Museum der bildenden Künste) an Heldenplatz habe ich 2010 eine tolle Klimt-Ausstellung bewundert. Der Eintritt lohnt sich für Kunstinteressierte in jedem Fall.
  • Auch ein Ausflug in die Budai hegyek (Budaer Berge) ist zu empfehlen. Hier kann man wandern oder mit der Gyermekvasút (Kindereisenbahn) fahren. Zurück ins Tal geht's ganz entspannt und mit toller Sicht aufs Parlament mit dem Libegő (Sessellift). Das ist bestimmt vor allem toll, wenn man mit Kindern reist!



Viszontlátásra, Budapest! Wir sehen uns wieder, ganz bestimmt!



2 Kommentare:

  1. Hallo Rebekka, deine Berichte über Budapest sind ganz toll!!!! Ich war noch nie dort, aber dein Bericht weckt Lust und Neugier! Und wieder einmal ist Internet Segen, denn ohne Internet und dein Blog hätten wir all das nicht erfahren. :-)
    Einen schönen Sonntagabend! Liebe Grüße, Maike

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    1. Danke dir, das freut mich!
      Budapest ist unbedingt eine Reise wert :)
      Ganz liebe Grüße zurück!

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