Donnerstag, 29. Oktober 2015

Dankbar #2: Meine Eltern




Manchmal kommen die Dinge anders, als wir sie uns vorgestellt haben.
Manchmal werden wir plötzlich wieder zum Kind.
Manchmal möchten wir etwas verschenken, nur um dann zu realisieren, dass wir selbst so viel mehr bekommen haben.

Gestern zum Beispiel. Meine Eltern hatten sich zum Besuch angekündigt und ich wollte die Gelegenheit nutzen, ihnen meine Dankbarkeit zu zeigen. Dafür, dass sie meinen Geschwistern und mir eine glückliche Kindheit mit vielen schönen Erinnerungen geschenkt haben, dass sie auch jetzt noch für uns da sind, wann immer wir sie brauchen, dass sie uns in ihre persönliche Beziehung zu Gott mithineingenommen, uns Jesus lieb gemacht haben. In den letzten Tagen habe ich immer wieder überlegt, wie ich meinen Eltern dienen kann, wie ich ihnen ganz praktisch zeigen kann, dass ich sie liebe und ihnen dankbar bin. Irgendwie fiel mir nichts Spektakuläres ein. Aber vielleicht passte das ja auch ganz gut zu meinen Eltern, die das Spektakuläre eh nicht so gern haben.
Also plante ich ein leckeres und gesundes Mittagessen ein, wollte einen Kuchen backen und mich respektvoll, geduldig und dankbar verhalten – also keine kritischen Bemerkungen machen, mich aufregen oder irgendwelche Launen an meinen Eltern auslassen. Klingt eigentlich selbstverständlich, ist es aber leider nicht unbedingt… wie oft ist es so, dass wir die Menschen, die uns am nächsten stehen am schlechtesten behandeln! Wie schnell bringen mich Äußerungen oder Angewohnheiten meiner Eltern auf die Palme! Das sollte an diesem Tag nicht so sein.

Als meine Eltern bereits in der S-Bahn zu mir saßen, stand ich noch in der Küche und probierte ein neues Apfelkuchenrezept aus, für das man (sehr praktisch!) nur zwei leere Sahnebecher als Maß verwenden sollte. Es ging auch alles gut, und der Kuchen landete im Ofen; nun fehlte nur noch der Mandelguss, der in der letzten Viertelstunde mitgebacken wurde. Als ich das (originalverschlossene!) Päckchen mit den blanchierten Mandeln öffnete und den Inhalt in den Topf gab, wimmelte es darin nur so vor kleinen, weißen Maden! Ich glaube, ich fing an zu kreischen und durch die Küche zu hüpfen, es war einfach so eklig! Irgendwie gelang es mir, mich zu überwinden, und den zum Leben erwachten Mandelguss zu entsorgen… Den Kuchen würden wir nun ohne Topping essen müssen – was mich enttäuschte, denn es hatte doch ein besonderer Kuchen werden sollen und nun war er total 0-8-15…

Es klingelte an der Tür, meine Eltern waren da. Ich war so froh, sie zu sehen und mit ihnen meinen Vormittagsschreck zu teilen. Vor lauter Maden-in-den-Mandeln vergaß ich völlig, eine gute Tochter (und Gastgeberin) zu sein und meine Eltern nach ihrer Reise zu befragen oder ihnen etwas zu Trinken anzubieten…
Das Mittagessen war dann auch nicht so der Hit; meiner bewährten Zitronigen Pasta mit Kichererbsen und Brokkoli fehlte irgendwie der geschmackliche Kick und meine Eltern schienen nicht wirklich begeistert. Ich hätte doch lieber was mit Fleisch kochen sollen. Was „Normales“. Zum Nachtisch gab es dann den etwas lahmen Apfelkuchen, der aber immerhin gut schmeckte. Normal halt.

Der Nachmittag verlief dann ungefähr so: Das Wickeln, Verpflegen und Bespaßen der Kinder übernahmen meine Eltern, meine Mutter trug Samuel sogar zu uns in den siebten Stock hoch, als der Fahrstuhl ausfiel. Während wir durch den Britzer Garten flanierten, schoben (wie selbstverständlich) meine Eltern den Kinderwagen und gaben Noemi in der Schaukel Auftrieb. Wir sprachen über meine bzw. unsere Themen; was sie gerade beschäftigt, weiß ich gar nicht. Plötzlich fing meine Mutter an, die Wäsche von der Leine zu nehmen und die bereits getrockneten Wäschestücke zusammenzulegen. Sie räumte die Spülmaschine aus und reinigte die Brotschneidemaschine (voll retro, mit Handkurbel!), die sie für uns vom Flohmarkt mitgebracht hatten. Während wir anderen unsere leckere Pizza genossen, fütterte meine Mutter ihren kleinen Enkelsohn und teilte parallel ihre Pizza mit ihrer Enkelin…

Als meine Eltern nach dem Abendessen sehr überstürzt aufgebrochen waren (ein Blick auf das Zugticket offenbarte, dass sie von einer viel zu späten Abfahrtszeit ausgegangen waren und es kaum noch rechtzeitig zum Bahnhof würden schaffen können. Den Zug verpassten sie tatsächlich, kamen aber schließlich doch gut zu Hause an), und langsam wieder Ruhe bei uns einkehrte, dachte ich darüber nach, was an diesem Tag geschehen war. Alles war ganz anders gekommen, und damit meine ich nicht primär den Apfelkuchen.
Ich hatte doch diejenige sein wollen, die dient, für andere da ist und sich durch konkrete Liebestaten dankbar zeigt – am Ende hatten meine Eltern mir gedient und mir einen entspannten Tag geschenkt. Mir wurde klar: Sie sind und bleiben einfach meine Eltern, egal, wie erwachsen und selbstständig ich inzwischen bin, sie verhalten sich noch immer so, wie sie es mir gegenüber immer taten: Meine Eltern sind für mich da, sie tun alles für mich, sie helfen mir und unterstützen mich. Darin sind sie 100% verlässlich. Sie nehmen sich selbst und ihre eigenen Bedürfnisse zurück, um mir meinen Alltag zu erleichtern. Und dieses Verhalten gilt ebenso (und in ganz besonderem Maße) auch für ihre Enkelkinder, die sie mit Liebe geradezu überschütten.

Meine Eltern können nicht aus ihrer Haut, aus ihrer Eltern-Haut, und ich kann auch nicht aus meiner – ich bin und bleibe ihr Kind. Ihre Tochter, die sich bei ihren Eltern ausweint und Rat holt und Hilfe sucht, so wie sie es immer schon getan hat. Seit ich selber Mutter bin, kann ich das sehr gut nachvollziehen. Unser Leben lang bleiben wir Eltern – und Kinder – und da spielen das Alter oder die Lebensphase erst mal keine Rolle.

Auch wenn ich meinen Eltern keinen besonderen, rundum entspannenden Tag voll bunter Überraschungen bescheren konnte, bin ich doch davon überzeugt, dass es für sie ein wunderschöner Tag war. Und auch wenn ich in meinem Vorhaben, ihnen ein Feuerwerk der Dankbarkeit zu entzünden, scheiterte, weiß ich doch, dass sie von meiner Dankbarkeit ihnen gegenüber wissen. So, wie es für mich genügt, mit meinen Kindern zusammen zu sein, mit ihnen zu lachen, das Brot zu teilen, liebevolle Blicke auszutauschen, ist es auch für meine Eltern genug.

Und dafür bin ich ihnen unendlich dankbar!


2 Kommentare:

  1. Hallo Rebekka,
    das hast du schön geschrieben, Eltern sind einfach etwas wertvolles, und man kann so dankbar sein wenn man weche hat mit denen man sich gut versteht.
    Grüße Magda

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  2. Haha, stelle mir gerade bildlich die kreischende und vor Schrecken hüpfende Rebekka in der Küche vor!!! :) Zu gut.
    Unsere Eltern... einfach unbezahlbar. Wer weiß, wie wir uns in 30/40 Jahren verhalten, wenn wir dann unsere Kinder besuchen. Wahrscheinlich ganz genauso und das ist gut so!!! "Eltern-Haut" - da kommen wir wohl nie wieder raus. Egal, was auch passiert. Und das ist gut so.

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