Samstag, 24. März 2018

Will you weep with me?



Freut euch mit den Fröhlichen,
weint mit den Weinenden.

Römer 12,15


Jeden Tag ein neuer Blog-Post... da scheint gerade einiges los zu sein, was mich beschäftigt. Diesmal kein kreativer Content, vielmehr ein paar Gedanken, die mich nicht loslassen.

Der Baby-Boom ist weiterhin fröhlich im Gange, zumindest bei "allen" anderen: Drei meiner Freundinnen sind aktuell schwanger, eine weitere hat vor ein paar Tagen ihr Baby bekommen, ganz zu schweigen von dem Babyglück, das mich auf Instagram überschwemmt.

Und ich? Ich freue mich für meine Freundinnen: Lache, umarme, gratuliere, bastle kleine Schwangerschaftstagebücher, bedaure Morgenübelkeit und Kreislaufprobleme, frage nach, umbete und helfe, wo es mir möglich ist.
Ich tue das, weil ich es für richtig halte: Meine Freundinnen haben einen Grund, sich zu freuen, und da freue ich mich mit. Ehrlich und aus ganzem Herzen staune ich über jedes neue Wunderkind.
Ich bin froh, dass ich das kann, dass es mir geschenkt ist, mich so aktiv für sie zu freuen. Das ist es, was ich von mir selbst erwarte, und was vielleicht auch meine schwangeren Freundinnen irgendwie von mir erwarten (?).

In den letzten Tagen ist mir aber bewusst geworden, dass dieses Verhalten etwas einseitig ist.
Ich höre eine Baby-Nachricht, freue mich und wir reden über die Schwangerschaft und alles, was damit zusammenhängt. Vielleicht reden wir auch ein bisschen über meinen Kinderwunsch, aber meistens nicht; das erscheint irgendwie unpassend.

Und wenn die Freundin dann gegangen ist, sitze ich auf der Couch und heule mir die Augen aus.
Allein.

Und frage mich: Wann hat irgendwann mal jemand mit mir geweint? Mit mir getrauert? Mit mir zusammen Gott gefragt, warum? 

Freut euch mit den Fröhlichen - ja, immer doch!
Aber: Weint mit den Weinenden - Fehlanzeige.

Das erlebe ich nicht.
Diese Worte schmecken bitter...

Vielleicht liegt das auch an mir. Weil ich mich eben ehrlich freue und dann im Anschluss gar nicht darüber rede, wie mies es mir eigentlich geht. Wie weh mir diese Nachricht bei aller Freude tut. Weil ich doch besser darin bin, den Schmerz zu kaschieren, als ich dachte?

Wir reden nicht gern über solche tiefen Gefühle. Über Schmerz, der uns fast das Herz zerreißt. Über Selbstvorwürfe, die uns zerfleischen. Über dieses Gefühl, zu versagen, als Frau, vielleicht auch als Paar. Es sieht düster aus in meinem Herzen und das muss niemand so genau wissen.

Also weine ich allein. Trauere allein. Schreie Gott an, allein.



Wie gehen wir mit Schmerz um, der nicht der unsere ist, den wir nicht wirklich verstehen oder nachvollziehen können? Viele denken wahrscheinlich das, was ich mir selbst immer wieder sage: Sie hat doch zwei Kinder, was soll das Gewese überhaupt? Kann sie nicht einfach zufrieden sein?


Wie gehen wir mit Leid um, auf das wir keine Antwort kennen, für das wir keine Lösung parat haben? Die Versuchung ist groß, entweder irgendwelche Plattigkeiten von uns zu geben (wie: Gott wird schon wissen, warum) oder beschämt darüber hinwegzugehen und zu hoffen, dass es von allein wieder besser wird. Wir bemühen uns um nette, aufmunternde Worte, drücken Mitgefühl aus - aber weiter gehen wir nicht.

Ich kenne das selbst und ich gehe damit auch nicht besser um. Wenn ich den Schmerz selbst nicht spüre und nicht verstehe, dann kann ich darauf nicht gut reagieren. Wenn ich keine Antwort weiß, sage ich lieber nichts und wechsle mehr oder weniger elegant das Thema.

Klagen, miteinander trauern, in Gemeinschaft weinen - das habe ich so noch nicht erlebt. Leider!

Wie wäre es, wenn wir uns das trauen würden: Wirklich unseren Schmerz teilen, so wie auch das Glück? Aushalten, dass wir keine Worte, keinen Trost haben und uns einfach nebeneinander aufs Sofa setzen und weinen? Miteinander beten, und zwar keine Fürbitte und auch keine Danksagung und keinen Lobpreis, sondern ein Klage-Gebet? Das Leid, die Fragen, die Bitterkeit vor Gott bringen, ohne fromme Floskeln, ohne Alles-wird-gut-Metaphern, ohne falsch verstandene Höflichkeit.
Beten: Diesmal nicht für unsere eigenen Probleme, sondern für das Leid der anderen, für den Schmerz, der nicht mein eigener ist. So, als wäre es mein eigener.

Tränen, Rotz und Blut als das einzige Opfer, das wir bringen. Gemeinsam.

Ich glaube, dass es das ist, was Gott von uns will. So steht es zumindest in der Bibel.
Klagen ist etwas, das wir ausdrücklich dürfen. Finde ich auch so in der Bibel.
Was uns daran hindert, ist oft Stolz oder Angst davor, uns Gott gegenüber respektlos zu verhalten.
Aber ich bin mir sicher, dass Gott das abkann. Er sieht unser Herz doch sowieso, da können wir es ihm auch direkt sagen.

Weint mit den Weinenden... das ist eine große Herausforderung! Das erfordert Mut.

Mut, sich zu öffnen, sich mitzuteilen, sein Herz weit zu machen und den Schmerz zuzulassen.
Ich glaube, dieses gemeinsame Klagen kann Freundschaften eine unglaubliche Tiefe verleihen. Es ist ein Liebesdienst, der hässlich und schnodderig und schwierig sein kann, aber doch unglaublich schön und wertvoll ist.

Genauso, wie ich in der Lage bin, mich mit den Fröhlichen zu freuen, möchte ich auch mehr und mehr lernen, mit den Weinenden zu weinen, Rotz und Wasser, zu klagen und zu fragen und einfach da zu sein. Mehr braucht es manchmal nicht: Zeit und Tränen und Taschentücher.


Will you weep with me?











4 Kommentare:

  1. Liebe Reh,
    ...danke für deine klaren Worte...deine Gedanken, die du uns mitteilst...
    Ich teile mit dir diesen Schmerz! Wenn du dich erinnerst, auch ich habe bereits 2 Kinder...und seit über 4 Jahren einen unerfüllten Wunsch nach einem 3. Kind...
    Ich weine mit Dir!
    LG Judith

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    1. Danke dir, liebe Judith! Ich finde, es hilft wirklich, nicht allein zu sein, sich verstanden zu wissen und miteinander zu weinen. Danke und alles, alles Liebe!

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  2. Liebe Reh,

    ich finde den Gedanken spannend - bei deinen Zeilen überlegte ich, ob ich das wirklich schon mal gemacht habe; mit jemandem weinen. Ich schaue meistens betroffen und sage, dass ich es auch traurig finde... Aber so richtig gemeinsam getrauert habe ich wohl noch nicht.
    Aber dein Gefühl, mit seiner Traurigkeit allein zu sein, kann ich sehr gut nachvollziehen! Zwar nicht mit einem Kinderwunsch, aber ich bin Single. Und da gibt es auch manchmal Trauer. Und um mich herum sind die meisten Freunde verheiratet oder in Beziehung. Sie erzählen ihren Ehestress oder vom Stress mit ihren Kids. Und ich nehme Anteil. Aber wenn ich über meine Trauer oder Frust über das Single-Dasein rede, ist eigentlich alles, was mir entgegen schwappt gute Ratschläge ("Geh doch mal da oder da hin...") oder ein "Ja, warum du noch Single bist, kann ich auch gar nicht verstehen!". Meistens wird schnell das Thema gewechselt. Schade eigentlich. Viele einsame Tränen und Gebete.

    Aber um darauf zurück zu kommen: I will weep with you! Unerfüllter Kinderwunsch sucks! :`(

    Alles Liebe

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    1. Vielen Dank für deinen Kommentar und deine Offenheit! Ja, ich denke, dass wir generell wohl nicht so gut darin sind, Schmerz und Leid auszuhalten. Wir möchten diese unangenehmen Gefühle entweder schnell übergehen oder "gut machen". Aber wirklich durch den Schmerz hindurch gehen, womöglich noch gemeinsam durch den Schmerz einer anderen Person, das haben wir nicht gelernt. Ich denke, das ist es wert, zu lernen und zu praktizieren - Gelegenheiten gibt es dafür ja genug.
      Ich verstehe deinen Schmerz und kann ihn immer besser nachvollziehen, weil es eine Sehnsucht ist, die dem Kinderwunsch nahe liegt. Dieses Gefühl, etwas nicht in der Hand zu haben, nichts wirklich tun zu können...
      Danke für dein Teilen - ich weine mit dir und wünsche dir, dass die Trauer bald ein happy end hat!
      Frohe Ostern dir!

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